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Aus der Heimat und Fremde
162 Bücher



Friedrich von Bodenstedt
Aus der Heimat und Fremde . 1856/1859



Lebensweisheit

Wer Weisheit nur aus Büchern lernt,
Und selbst nicht weise denkt und lebt,
Wird immer mehr von ihr entfernt
Je mehr er ihr zu nahen strebt.

Das Leben soll die Erde sein
Darin die Weisheit Wurzel schlägt,
Und pflanzt Ihr hier den Kern nicht ein,
Wächst Euch kein Baum der Früchte trägt!



Klug sich in Welt und Menschen fügen,
Gern nützlich sein so viel man kann,
Sich selbst und Andre nicht betrügen,
Die Lehre paßt für Jedermann.

Magst Du die Lüge noch so klug
In das Gewand der Wahrheit kleiden,
Der Dummste ist nicht dumm genug
Um beide nicht zu unterscheiden.



Der Schmerz, die Freude spielen nicht mit Bildern,
Ein Blick, ein Wort genügt um sie zu schildern,
Und wo in Phrasen Schmerz und Freude spricht,
Glaub' ich das Eine und das Andre nicht.



Die Tugend hab' ich nie gelobt
Die nimmer sich im Sturm erprobt.
Die Weisheit hab' ich nie gepriesen
Die nicht im Leben sich erwiesen.

Man lernt nicht fechten ohne Schwert,
Man lernt nicht reiten ohne Pferd;
Dem guten Schwimmer stärkt die Glieder
Der Strom, den schlechten reißt er nieder.



Mein Freund weiß manches Sprichwort,
Und manches alte Citat -
Das dient ihm immer als Stichwort,
Begehrt man seinen Rath.

Nie beutet er seinen Verstand aus,
- Es brächte auch wenig Gewinn -
Doch: streckt er seine Hand aus,
Ist immer Etwas darin.



Der giebt nicht viel, der sich erst viel besinnt,
Und, stets an's Ende denkend, nie beginnt.



Nur Menschen, die selbst nicht viel taugen,
Sehn Andre mit getrübten Augen.



Schafft frohe Jugend Euren Kindern,
Des Lebens Heimsuchung zu lindern!
Wer jung schon viel erfahren Gutes,
Trägt auch das Schlimme leichtern Muthes;
Er weiß, es giebt ein Glück auf Erden,
Und was einst war, kann wieder werden:
Erinnerung an Schönes nährt
Die Hoffnung die den Schmerz verklärt.



Mögt Ihr meine Weisheit tadeln,
Weiß ich doch, daß sie erprobt ist!
Wirklichkeit und Leben adeln
Längst, was hier im Lied gelobt ist.

Denn was ich an weichen Tönen
Euch in Vers und Reime goß,
Ist ein Nachklang nur des Schönen
Deß ich lang und viel genoß.



Zur rechten Zeit erfassen,
Zur rechten Zeit verlassen
Der Stunde Glück und Gunst -
Zur rechten Zeit erfassen,
Zur rechten Zeit verlassen
Ist eine schwere Kunst!


  Friedrich von Bodenstedt . 1819 - 1892






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