Aus dem Buch der Könige

1.

Es hat der König Salomo
Dem Herrn ein Haus errichtet,
Von Cedern, Tannen und Gestein,
Und Erzwerk aufgeschichtet.

Es ward das Haus des Herrn gebaut
Mit Zierrath und Gepränge,
Hoch dreißig Ellen, zwanzig breit,
Und sechzig in die Länge.

Und als das Haus vollendet war,
Berief er alle Kinder
Von Israel, die opferten
Der Schafe viel und Rinder.

Und sieh', das Haus des Herrn erfüllt
Inwendig eine Wolke -
Da sprach der König Salomo,
Sprach laut vor allem Volke:

"Ich habe dem Herrn ein Haus gebaut,
Drin öffentlich zu thronen,
Doch hat er heimlich mir vertraut,
Er will im Dunkeln wohnen!"

Der König liebt und schätzt den Herrn,
Er hofft, der Herr wird's lohnen,
Drum thut er ihm den Gefallen gern,
Läßt ihn im Dunkeln wohnen.


2.

Drauf hat der König Salomo
Sich selbst ein Haus errichtet,
Von Cedern, Tannen und Gestein,
Und Erzwerk aufgeschichtet.

Hoch dreißig Ellen, hundert lang,
Und fünfzig in die Breite -
Ein Haus, so doppelt groß und schön
Als das dem Herrn geweihte!

Es dauerte das Haus des Herrn
Zu baun der Jahre sieben -
Beim Bau des Königshauses ist
Man dreizehn Jahr' geblieben.

Ob Salomonis Frömmigkeit
Lobsangen ihn die Kinder
Von Israel - er ehrt den Herrn,
Doch ehrt er sich nicht minder.

Man sagt vom König Salomo
Er war ein großer Weiser,
Viel weiser noch, als insgemein
Die Könige und Kaiser.

Drum haben Viele, die nach ihm
Zu Macht und Thron gekommen,
Den weisen König Salomo
Zum Muster sich genommen.

Es sprachen, sangen nicht wie er
Viel Könige und Kaiser,
Doch bauten viel nach seiner Art
Die Tempel und die Häuser.

Derweil sie selbst im größern Haus
In lichtem Glanze thronen,
Muß heute noch im kleinern Haus
Der Herr im Dunkeln wohnen.


  Friedrich von Bodenstedt . 1819 - 1892

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