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162 Bücher



Carl Busse
Gedichte . 2. veränderte Auflage (vermutlich) 1894/1895



Badendes Nixlein

Ich kann's nicht leugnen, ich liebe die Zeit,
Wenn die Beete prangen im Blütenkleid,
Wenn der große Bär am Himmel steht,
Und über die Lauben der Sommerwind weht,
Wenn der Mond so gelb durch die Wolken schielt,
Und ein Knecht in der Ferne Harmonika spielt.

Heut ließ ich die Lauben vergeblich warten,
Schlenderte tiefer hinein in den Garten,
Wollte die kleine Wiese erreichen,
Wo die Mädchen die Wäsche bleichen,
Ging an Johannisbeersträuchern vorbei,
Quetschte drei rote Beeren entzwei,
Habe mich dann auf den Rasen gelegt
Und für Minuten kein Glied mehr geregt.

Ist zum Träumen der rechte Fleck,
Mädel und Wäsche sind lange schon weg,
Vor mir, durchplätschernd die Sommernachtsruh,
Eilt nur ein Bach dem Klosterteich zu,
Links am Zaune der Weidenbaum
Dämmert hinein in den Himmelsraum,
Und in die grünenden Gräser flicht
Strohgelbe Blumen das Mondenlicht.

Nun tönen dumpf und schlummerschwer
Elf Schläge vom alten Kloster her...
Und tief im Herzen ist wieder erwacht
Die weinende Sehnsucht der Sommernacht.

Ein Tritt zerstört mir die Wehmutsträume,
Er zögert im Schatten der Apfelbäume,
Und plötzlich schleicht auf den Wiesenrand
Im Nachbarsgarten zur linken Hand
Ein blutjung Mädel mit zartem Gesicht
Hinein ins friedliche Mondenlicht.

Hat vielleicht vierzehn Sommer gesehn,
Mag wohl jetzt im fünfzehnten stehn,
Hat schon die Puppen bei Seite gelassen
Und wird sich wohl bald mit anderm befassen.
Blinzelt nun hutsam im Kreis herum,
Ob auch die Runde verschwiegen und stumm,
Streift dann Schuh' sich und Strümpfchen aus,
Schlüpft im Nu aus dem Röckchen heraus,
Bis daß sie plötzlich blank und glatt,
Wie Gott sie einst erschaffen hat,
Ganz splitternackt im Mondstrahl steht,
Der warm auf sie herniedergeht.

Der Körper zart, schlank wie vom Reh,
Weiß wie die schönste Märchenfee,
Die Blicke schweifen rings erschrocken,
Das Köpfchen steckt in krausen Locken,
Und voll und schwer von Blütenduft
Spielt um sie her die Sommerluft.

Nun huscht sie flink zum Grabenrand
Prüft erst das Wasser mit der Hand,
Schlägt fromm drei Kreuze, schiebt voll Mut
Ein Füßchen endlich in die Flut,
Doch zuckt zurück: O je.. wie kalt!
Da steht sie nun die Huldgestalt,
So zitternd, scheu wie eine Maus,
Und weiß nicht ein und weiß nicht aus,

Und grübelt hin und grübelt her:
Wenn nur das Wasser so naß nicht wär'!
Doch schießlich hat sie sichs getraut,
Ein ängstlich-kichernd-heller Laut,
Da patscht das Ding mit Jubelton
Im Glimmerglanz der Wellen schon
Und spritzt und schafft sich Zeitvertreib,
Und schimmernd hebt der Nixenleib
Sich ab vom Schilf und Binsengrün,
In dem zwei Kuckuksnelken blühn.

Da hab ich still mich umgewandt,
Es fügte scheu sich Hand in Hand,
Als ob ich leise beten müßte,
Daß jenes Kind der Sehnsucht Küste,
Nach der es strebt, einst auch umfängt;
Nicht daß es frei von Schmerzen bliebe,
Doch daß die Osterblume Liebe
Sein Herz empor zur Sonne lenkt.


  Carl Busse . 1872 - 1918






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