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Robert Eduard Prutz
Gedichte
. 3. Auflage 1847
Zur Eröffnung des Theaters in Halle
Herbst 1846.
Den Vorhang auf! - Und rascher noch, als er
Mit leiser Wallung in die Lüfte fliegt,
Fliegt euer Blick erwartungsvoll uns zu.
Hier sind wir, ja, versammelt Groß und Klein,
Die in der Musen heil'gem Dienste wir
Vor euern Augen hier uns üben wolln,
Und wollen mit dem heitern Spiel der Kunst
Des Lebens Ernst von eurer Stirn verscheuchen.
Doch in der Fremde fühlt der Fremde sich:
Beklommen stehn wir und verlegen da,
Und der euch freundlich soll willkommen heißen,
Auf blöder Lippe, zögernd, stockt der Gruß.
Wer nimmt das Wort? Wer spricht die Wünsche aus,
Mit denen wir euch grüßend hier empfangen?
Die Bitte war um Nachsicht und Geduld,
Die uns zunächst beim Eintritt heut geziemt?
So sei denn mir ein flücht'ges Wort vergönnt:
Ein edler Boden ist's, den wir betreten!
Wie aus der Erde dunklen Adern hier,
Geheimnißvoll, in nie versiegter Fülle,
Das edle Salz, der Erde Würze, quillt:
So auch, in lebensvoll bewegten Fluthen,
Leis rauschend, strömt das köstlichere hier,
Das Salz des Geistes, Kunst und Wissenschaft;
Und ein Geschlecht, in stet'ger Folge, reicht
Dem anderen des Nachruhms Palme dar.
Aufmerksam lauscht, zu edler Lehrer Füßen,
Die Jugend hier und badet früh die Brust
Im heitern Meer der Schönheit und der Kunst.
Ja, wie das Wesen es des Lichtes ist,
Nicht neidisch sich im Engen zu verschließen,
Nein, strahlend bricht es aus dem kleinsten Spalt
Und füllt die Welt mit seinem holden Glanz:
So hat ein edler, freigewöhnter Trieb
Auch dieses Ortes Bürgerschaft erfaßt,
Und siegreich schwebt, im frischen Kampf der Geister,
Der Freiheit Genius über dieser Stadt! -
Auch diese Bretter selbst darauf wir stehn,
Dies flüchtig wandelbare Schaugerüst,
Rühmt eines hocherlauchten Namens sich.
Als noch in Weimar, an der Ilme Strand,
Der Tempel sich der Schauspielkunst erhob,
(Verwaist seitdem und bald vielleicht zerstört)
Da haben Weimars große Künstler oft
An dieses Stromes nachbarliches Ufer
Den Fuß gelenkt, der Götter Gastgeschenk,
Den Preis der Kunst in milden Händen tragend.
Ja Göthe selbst, der Unvergleichliche,
Verschmähte nicht mit Musagetenhand
Auch dieser Bühne Zügel zu regieren.
Da klangen Schillers stolze Rhythmen hier,
Da wurden Shakspeares große Schatten wach,
Und die erhabnen Schauer der Tragödie
Bewegten machtvoll das entzückte Haus!
Wohl wär' es schön, an solchen großen
Vorgang
Wetteifernd sich, nachstrebend, anzuschließen;
Wohl wär' es schön, das Ideal der Kunst,
Wie es die Brust der Besten hier erfüllt,
Durch kühne That darstellend zu beleben -:
Doch frei gesagt, wie schön es sei, es ist
Zu schwer für uns! - Auch kleine Preise giebt es,
Um die zu ringen doch des Schweißes werth,
Auch kleine Kränze, welche doch erfreun:
Feldblumen nur, die man mit flücht'gem Finger,
Gedankenlos am Weg zusammenlies't -
Und kaum gewunden, ist der Kranz verwelkt.
Nur solche Blumen sind's, die wir euch streun!
Der Sommer flieht, die Tage kürzen sich,
Auf öder Flur unheimlich weht der Sturm,
Und traulich um des Heerdes sichern Kreis
Nachbarlich flüchtet Freund zum Freunde sich.
Sei denn ein solcher Kreis auch dieses Haus!
Der gastliche, der allgemeine Heerd,
Um den Ihr gern zu Abend euch versammelt,
Und laßt die holden Täuschungen der Kunst,
Begnügten Sinns an euch vorüberziehn.
Wir sind des Hauses Wirthe bloß: wer fordert
Bei nachbarlich vertraulichem Besuch
Das Festgepränge eines großen Mahls?!
Darum mit kleinen Schüsseln nehmt vorlieb,
Mit leichten Opern, Lust- und Possenspiel -
Flüchtige Waare, wie der Tag sie bringt!
Und wagen wir uns hie und da einmal
An Größres auch: o daß verdoppelt dann
Die Nachsicht sei, um welche wir euch bitten!
Wohl Viele ringen nach dem höchsten Ziel,
Von wenig Glücklichen wird es erreicht:
Nehmt dann den Willen, bitt' ich, statt der That.
Und also seid noch einmal uns gegrüßt
Und laßt uns freundlich euch empfohlen sein!
Schwer ist es rohe Herzen zu bewegen:
Doch leicht befriedigt ist und leicht gerührt,
Wer selbst in sich den Hauch der Götter spürt. -
Robert
Eduard Prutz . 1816 - 1872
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