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Gedichte
162 Bücher



Robert Eduard Prutz
Gedichte . 3. Auflage 1847



Treubruch

1841.

    Wer hat's gesehn? wer hat's geschaut?
Seitab im Thal, wo mit gesenkten Zweigen
Weißstämm'ge Birken auf die Fluth sich neigen,
    Einsam und fremd starb die verlaßne Braut.
Kein Ohr vernahm's! kein Auge sah sie schwanken!
Nur die ihr Nest baut in den Epheuranken,
    Die Nachtigall hört ihren letzten Laut.

    Sie stand am Thor, sie lauscht' empor,
Wo tausend Kerzen rings die Nacht erhellten,
Die Pauke klang und laute Hörner gellten
    Von oben her in ihr entsetztes Ohr.
Wem gilt der Glanz? wem gilt der Hörner Dröhnen?
Es gilt dem Bräutigam und seiner Schönen,
    Dem Bräutigam, den ewig sie verlor!

    Er grüßte sie, er suchte sie,
Gleichwie, versteckt in allertiefsten Gründen,
Die Sonne weiß ein Samenkorn zu finden,
    Daß es emporwächst und es weiß nicht wie:
So fand er sie! so wuchs in ihrem Herzen
Die holde Frucht der Liebe und der Schmerzen
    Bei seines Eidschwurs süßer Melodie!

    Das war im Lenz, das war im Mai,
Wo sie sein Blick, gleich Sonnenstrahlen, brannte,
Wo er ihr Herz sich, ihren Gatten nannte,
    Wo sie gelernt, wie süß die Liebe sei.
Heut wird man bald die Erntekronen flechten,
Heut eine Andre führt er an der Rechten,
    Und Lenz und Schwur und Liebe sind vorbei! -

    Nun ists gethan, nun ists geschehn,
Zu Ende ging das prächtigste der Feste,
Die Stiegen abwärts drängen sich die Gäste,
    Die Wagen rollen und die Fackeln wehn:
Wo blieb das Kind, das hier am Thor gekauert?
In warmer Nacht vor Kälte hier geschauert?
    Kein Ohr vernahm's, kein Auge hat's gesehn! -

    Schon schweigt der Lärm, schon löscht das Licht:
Nur Eins noch brennt, das auf geheimem Pfade
Ins Brautgemach den jungen Gatten lade,
    Es strahlt der Braut ins flammende Gesicht:
Hört sie den Sand nicht auf der Diele knistern?
Nicht durch den Vorhang seine Stimme flüstern?
    Umsonst! umsonst! er kommt nicht, sucht sie nicht.

    Denn o wie bleich, o dort wie fahl,
Im öden Zimmer sitzt er in der Ecke,
Wirft ruhelos sich auf der seidnen Decke,
    Nur halb geleert den goldenen Pokal:
Er läßt umsonst die holde Gattin schmachten,
Die Blicke nicht, die ihm entgegenlachten,
    Nicht leuchten sieht er ihrer Lampe Strahl.

    Denn Andres ist es, das er schaut! -
Zwar nicht mit Augen hat er es gesehen,
Und doch im Thal die Birken sieht er stehen
    Und hört des Bachs einsamen Klagelaut;
Er hört den Nachtwind durch die Bäume säuseln,
Er sieht die Welle sich im Mondschein kräuseln,
    Sieht untersinken die verlaßne Braut! -

    Das ist die Schlange, die ihn nagt!
Das hat den Wein, den duft'gen, ihm verdorben,
Den Küssen darum ist er abgestorben,
    Das ist der Schatten, der ihn nächtlich jagt!
Darum verschmäht, muß seine Gattin weinen,
Muß, eine Blume zwischen kalten Steinen,
    Trostlos verwelken, stumm und ungefragt! -

    So wird er altern! So ergraut
Sein braunes Haar in wenig kurzen Tagen,
So sinkt das Haupt, das er so hoch getragen,
    So löscht das Auge, das so kühn geschaut!
So wird mit ihm sein stolzes Haus verderben,
So wird er einsam und verlassen sterben,
    Und Niemand einst hört seinen letzten Laut!


  Robert Eduard Prutz . 1816 - 1872






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