Liedertafel

1834.

Horch, die Abendglocken klangen
    Und die Sternlein sind erwacht,
Feierzeit ist angegangen,
    O willkommen, liebe Nacht!
Sei das Tagwerk nun geschlossen,
    Das wir schufen sonder Rast,
Und der Abend froh genossen
    Nach des heißen Tages Last.

Chor.
Fröhlich auf, ein Lied gesungen!
    Freunde, kommt zum muntern Schmaus!
Eingeschenkt und angeklungen,
    Freunde, trinkt die Gläser aus!

Holde Frauen, zarter Sitte,
    Mild von Auge, mild von Sinn,
Tretet ein in unsre Mitte,
    Nehmt des Festes Scepter hin!
Ihr vor Allen seid willkommen,
    Euch vor Allen lud ich ein:
Soll dem Mann die Freude frommen,
    Müsset ihr beim Feste sein.

Chor.
Lebet hoch! den Frau'n gesungen,
    Holde Frauen, kommt zum Schmaus!
Eingeschenkt und angeklungen,
    Züchtig nippt die Gläser aus!

Fort mit den bestäubten Rollen,
    Weiser, tritt auch du herein!
Grübelst, was die Menschen wollen?
    Lieder wollen sie und Wein!
Willst du auf die Wahlstatt ziehen,
    Schlachtenmuthiger Soldat?
Schau die Flaschenbatterieen,
    Hier auch gilt es kühne That?

Chor.
Lebet hoch! sei euch gesungen,
    Krieger, Weiser! kommt zum Schmaus!
Eingeschenkt und angeklungen,
    Freunde, trinkt die Gläser aus!

Guter Kaufmann! der mit Sorgen
    Rastlos seine Schätze mehrt,
Buch und Zahltisch laß auf morgen,
    Freie Zeit ward heut bescheert.
Wie? verschmähst du Lust und Lieder,
    Und nur Gold kann dich erfreun?
O so schau in's Glas hernieder,
    Goldig lacht der goldne Wein!

Chor.
Lebet hoch! sei euch gesungen!
    Alle kommt zum muntern Schmaus!
Eingeschenkt und angeklungen,
    Freunde, trinkt die Gläser aus!

Doch was seh' ich? zärtlich Nicken?
    Flüstern leis von Ohr zu Ohr?
Und dies Feuer in den Blicken -
    Holde Frauen, seht euch vor!
Denn beim Klange dieser Lieder,
    Hergelockt durch unsern Wein,
Stieg die Liebe selbst hernieder:
    Freunde, laßt die Göttin ein!

Chor.
Sei der Liebe dies gesungen!
    Süße Liebe kommt zum Schmaus!
Eingeschenkt und angeklungen,
    Braut und Bräut'gam! trinket aus!

Nun noch einmal füllt den Becher,
    Füllt ihn schäumend bis zum Rand,
Rückt heran ihr alten Zecher!
    Leget alle Hand in Hand!
Laßt ein Lebehoch! uns singen
    Lebe hoch! aus tiefster Brust:
Liedeslust und Becherklingen,
    Liederkranz und Becherlust!

Chor.
Hoch! sei Lied und Wein gesungen,
    Denn sie krönen unsern Schmaus:
Eingeschenkt und angeklungen,
    Alle trinkt die Gläser aus!


  Robert Eduard Prutz . 1816 - 1872

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