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Robert Eduard Prutz
Gedichte
. 3. Auflage 1847
Ein Dom in Spanien
1840.
Ich trat hinein: die kühlen Bogengänge
Empfingen mich mit mildem Dämmerschein;
Fern aus der Tiefe rauscht' es wie Gesänge,
Die Orgel brauste wundersam darein;
Barhäupt'ge Priester murmelten und raunten,
Rings auf den Knieen lag der Gläub'gen Schaar -
Da hielt mein Fuß und meine Blicke staunten:
Denn plötzlich stand ich vor dem Hochaltar.
Schau hin, o schau! Marmorne Säulen steigen,
Wie schlanke Lilien, stolz und keck empor,
Ein Riesenbaum mit hunderttausend Zweigen,
Rankt sich der Altar aus dem Grund hervor:
Das blüht und keimt und sproßt aus allen Ritzen,
Mit Gold und Perlen prächtig ausgeziert,
Ein Labyrinth von Pfeilern, Bogen, Spitzen,
Darin das Auge staunend sich verliert.
Ich stand vertieft in andachtsvolles Schauen:
Ein Kreis von Heil'gen überdeckt die Wand,
Schau dort den Heiland, dort die frommen Frauen,
Und dort die Fürsten aus dem Morgenland.
Schau dort ein Kreuz, um welches Engel fliegen,
Die Taube dort, die hoch darüber schwebt -!
Sehnsüchtig scheint sich Stein an Stein zu schmiegen,
Als ob ein Herz in jedem Steine lebt.
Und lauter jetzt die Orgel hört' ich rollen,
Als ob's ein Donner aus der Höhe war,
Und schon des Weihrauchs blaue Düfte quollen,
Wie leichte Nebel, um den Hochaltar:
Als hätt' ein Glanz aus längst vergangnen Zeiten,
Mein waches Auge wie im Traum berührt,
In ein Gesicht verschwundner Herrlichkeiten
Ward meine Seele raschen Flugs entführt. -
Ich kenn' euch wohl, ihr leichtgeschwungnen Bogen,
Ihr Säulen euch, voll räthselhafter Zier!
Euch hat des Mauren brauner Arm gezogen:
Denn einst als Herr gebot der Maure hier.
Ja dieser Tempel ward von ihm gegründet,
Einst seinem Gott ein prächtig Haus zu sein,
Hier diese Säule ward von ihm geründet,
Und einst sein Hauch belebte diesen Stein.
Hier knieten einst, mit gluthentbrannten Mienen,
Den Alkoran in schlachtenmüder Hand,
Gesenkten Haupts die bärt'gen Mosleminen,
Nach Mekka zu das Angesicht gewandt;
Und wo jetzt hier, von Allen auserlesen,
Der heil'gen Jungfrau goldne Säule steht,
Da mit arab'schen Lettern war zu lesen:
Kein Gott als Gott! und Mahom sein Prophet! -
Die Schrift erlosch! Kein Auge wird sie finden,
Ein christlich Kreuz bedeckt jetzt diesen Stein,
Des Mauren Reich verwehte mit den Winden -
Wird dieser Altar, wird er fester sein?
Schon niederwärts seh' ich die Kerzen brennen -
O wenn einst dieser Bau in Trümmer fällt,
Wen werden dann, o dann die Priester nennen,
Und welchem Gotte dienet dann die Welt?
Ich trat hinaus: die Sterne Gottes schienen
Wie goldne Lettern einer Riesenhand,
Ich sah empor - ich sah und las in ihnen,
Was nimmer noch auf keinem Altar stand!
Beruhigt fühlt' ich meine Pulse schlagen,
Ein sel'ger Friede füllte meinen Geist:
Es war ein Wort - ein Wort, das alle Fragen
Verstummen heißt......
Robert
Eduard Prutz . 1816 - 1872
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