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Gedichte, Lyrik, Poesie

Gedichte
162 Bücher



Robert Eduard Prutz
Gedichte . 3. Auflage 1847



Dichterliebe

1833.

1.

Der kleinen Lerche gleicht das Lied,
Die in des Maien Tagen
Weit durch den blauen Himmel zieht,
Vom Morgenwind getragen.

Drum nicht in Bücher stolz und fein
Mit Commentar und Noten,
O schließt mir nicht die Lieder ein,
Die lust'gen Frühlingsboten!

Auf weichem Moos, in kühlem Grund,
Wo muntre Quellen springen,
Soll sie der Jungfraun süßer Mund,
Der Mund der Männer singen;

Daß es die Vöglein weckt im Wald,
Die alten und die jungen,
Und rings das Echo wiederhallt
Mit hunderttausend Zungen.


2.

Wir verstehn der Blume Neigen
Und das Murmeln hier am Quell,
Jedes Vöglein in den Zweigen
Ist uns lustiger Gesell.

Und des Himmels goldne Sterne
Grüßen uns mit Zauberlaut:
Alle Nähe, alle Ferne
Ward den Liebenden vertraut.


3.

Und das Liebchen mir zur Seite
Und die Leier an der Brust -
O du lustiges Geleite,
O du muntre Wanderlust!

Und zur Seite meine Leier,
Und das Liebchen an der Brust -
O du süße Sternenfeier,
O du nächt'ge Liebeslust!


4.

Sage nicht, die Tage schwinden,
Sage nicht, das Glück enteilt!
Meine Lust laß mich empfinden,
Ungetrübt und ungetheilt.

Kümmert mich die Flucht der Zeiten,
Mich des Glückes Unbestand?
Laß es fahren, laß es gleiten,
Du bist meines Glückes Pfand!

Dir am Busen hingesunken,
Festgebannt an deinen Blick,
Deiner Flammenküsse trunken,
Was noch fürcht' ich das Geschick?

Höher laß den Becher schäumen,
Den dein süßer Mund geweiht,
Laß uns schwärmen, laß uns träumen,
Maienwonne, Jugendzeit!

Trinken die gefüllte Schaale,
Gleich als ob sie nie versiegt,
Bis zuletzt mit einem Male
Lieb' und Lebenstraum verfliegt.


5.

In der Straßen schwüler Enge
Horch, wie tummelt sich die Welt!
Dort im Hafen, welch Gedränge,
Und die Segel sind geschwellt!

Mädchen, laß die Segel schwirren!
Laß im schatt'gen Myrthenhain,
Bei der Nachtigallen Girren,
Mädchen, laß uns glücklich sein!

Denn wonach sie draußen jagen,
Giebt dem Herzen keine Ruh':
Kannst du nicht der Welt entsagen,
Winkt das Glück dir nimmer zu.

Drum der Hafen, o wie öde,
Seit mein Auge dich erkannt!
Jene Wellen, o wie schnöde,
Und wie ferne jener Strand!

Nimmer auf des Meeres Grunde
Liegt ein schönres Glück versenkt,
Als dein Auge jede Stunde,
Als dein süßer Blick mir schenkt.

Auf den Wellen deiner Brüste,
O wie wogt es sich so leicht!
Deines Mundes Purpurküste,
O wie bald ist sie erreicht!


6.

Und mit ungeduld'gen Tritten,
Hochgegürtet das Gewand,
Kommt der Freund herbeigeschritten,
Schwert und Ruder in der Hand:

"Wie? so liegst du denn begraben
In der Wollust weichem Schooß?
Und wir And're, rasche Knaben,
Knüpfen schon die Anker los?

Freut dich nur der Liebe Kosen,
Und die goldne Ferne nicht?
Nicht der Lorbeer, nur die Rosen,
Die die Zauberin dir flicht?

Diese Locken, diese Lippen
Haben dir das Herz entwandt -
Reiß' dich los! durch Sturm und Klippen
Rasch hinaus in's ferne Land!"

Freund! in manchen bangen Jahren,
Die ich draußen einst verlebt,
Hab' auch ich es wohl erfahren,
Was jetzt dir das Herz durchbebt.

Folge du dem frischen Willen,
Schwärme keck die Welt entlang:
Doch die Sehnsucht dir zu stillen,
Gehst du nur verlornen Gang!

Im Begrenzten nur, im Engen,
Findest du das höchste Gut;
Nur in Küssen, in Gesängen
Kühlest du das heiße Blut.

Regenguß und Felsenbäche
Stürzen brausend ohne Bahn:
Ruhig, in begrenzter Fläche,
Wallt der Strom zum Ocean.


  Robert Eduard Prutz . 1816 - 1872






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