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Gedichte
162 Bücher



Robert Eduard Prutz
Gedichte . 3. Auflage 1847



Der Alchymist

1837.

1.

"Gold ist die Loosung! -Mir von Allen,
    Dem Sohn der Scholle, nackt und bloß,
Mir einzig wäre zugefallen
    Der schnöden Armuth Jammerloos?
Fühl' ich's nicht auch im Arme schwellen
    Von jugendlicher Stärke mir,
Nicht mir in Hirn und Busen quellen
    Von Plänen, Wünschen und Begier? -

Gold ist die Loosung! Hoch von oben
    Lockt mich der Sterne goldner Schein;
Auch goldne Becher hör' ich loben,
    Süßduftige von goldnem Wein;
Nach goldnen Kettlein seh' ich trachten
    Goldlock'ge Dirnen schlank und hold,
Und ach! um ihre Locken schmachten,
    Wer reich ist an gemünztem Gold.

Hinaus, hinaus! und fröhlich Ringen!
    Dem Tapfern bleibt der Sieg nicht aus.
Schon goldne Becher hör' ich klingen
    In goldgedecktem Königshaus,
Seh' mich von Mädchenarm umschlungen,
    Von goldnen Locken überdeckt,
Seh' in die Wirklichkeit gedrungen,
    Was jetzt als goldner Traum mich neckt!" -


2.

Wo nie der süße Morgen dämmert,
    Tief in des Bergwerks finsterm Schacht,
Da sitzt er jetzt und pocht und hämmert
    In schwarzberußter Knappentracht.
Zu ihm hinab kein Klang der Glocken,
    Kein Lerchenwirbel, Blumenduft!
Denn andre Blumen sieht er locken,
    Rothblühend Gold in dunkler Gruft.

Mann ist er worden, hat erfahren
    Des Lebens Drang, des Lebens Müh':
Den Traum aus ersten Jünglingsjahren
    Vergaß er dennoch, dennoch nie!
Zwar nicht die Sterne konnt' er greifen,
    So golden sie ihn angelacht,
Sein irrend Wandern, flüchtig Schweifen
    Hat ihn zu keinem Ziel gebracht.

-"Gold ist die Loosung! Tief dort innen,
    Im Schooß der Erde keimt das Gold;
Du mußt's mit Schweiß ihr abgewinnen,
    Dem Unverdroßnen ist sie hold.
Dort zweigt es sich in tausend Blättern,
    In tausend Aesten rankt's empor,
Aus Zwergenhand und bösen Wettern
    Bring' ich den Schatz ans Licht hervor." -

Bergmann, hab Acht! die Vesten zittern,
    Jähquellend Wasser füllt den Schacht,
Ein Donnern, horch! wie von Gewittern,
    Ein Knall, ein Fall: es ist vollbracht!
Das Gold die Beute der Dämonen!
    Versenkt auf ewig in's Gestein
Sind deine Becher, deine Kronen,
    Nichts, als das nackte Leben, dein!


3.

Dort hinter halb zerknickten Scheiben,
    Im finstern Häuschen, arm und klein,
Welch seltsam Schaffen dort und Treiben,
    Wer mag der Greis, der fremde, sein?
Er steht vor dampfender Retorte,
    Umhüllt von wallendem Talar,
Und murmelt leis gespenst'ge Worte
    Und seltsam fliegt sein Silberhaar.

- "Gold ist die Loosung! Tief dort innen
    Ruht es in Pflanze, Luft und Stein,
Da gilt's zu denken, gilt zu sinnen,
    Geheimnißvolle Litanein.
Der sich verbirgt dem Aug' der Blinden,
    Der goldne Bronnen der Natur,
Die Kunst des Weisen soll ihn finden,
    Und Nostradamus kennt die Spur.


Jetzt Mitternacht! Die Sterne schimmern,
    Merkur und Venus sind mir hold,
Und schon im Kessel seh' ich's flimmern,
    Das siedet, dampfet, wogt wie Gold.
Jetzt ungesäumt das Wort gesprochen,
    Das alle Geister mir beschwört-:
Vernimm's, Natur! und gieb zerbrochen
    Die Schlüssel mir, wenn du's gehört!"

So ruft er laut, und hoch im Kreise
    Goldfarb'ge Dämpfe sieht er ziehn -
Da knarrt die Thür, da schleichen leise
    Sich Mönch und Häscher hinter ihn:
Und plötzlich aus dem Reich der Geister
    Schreckt ihn ein donnerndes Gebot:
"Den Gottesläugner, Hexenmeister,
    Ergreifet ihn und fort zum Tod!" -


4.

's war Winterszeit. Still, wie im Grabe,
    War es im schneebedeckten Wald;
Ein Greis in Lumpen wankt am Stabe,
    Und draußen ist's so bitterkalt.
Sie haben ihm den Spruch verkündet:
    "Weil du um Gold und eitlen Tand
Dich mit der Hölle hast verbündet,
    Sei du geächtet und verbannt."

Die Sonne sank, und rings die Höhen,
    Den Wald, das Häuschen hier im Thal,
Den Spiegel dort gefrorner Seen
    Vergoldete ihr letzter Strahl.
Still stand der Greis: er sah es flimmern
    Und glühen, glänzen weit und breit,
Sah goldne Berg' und Flüsse schimmern,
    Sah goldverbrämt sein Bettlerkleid.

"Gold ist die Loosung! Mir entgegen,
    Dem ärmsten Mann, strömt himmelher
Ein unermeßlich goldner Regen,
    Allüberall ein goldnes Meer!
Schon goldne Schlösser seh' ich blinken,
    Mein Herz durchglüht's wie Feuerwein,
Seh' goldgelockte Köpfchen winken:
    Mein jetzt, du goldnes Traumbild, mein!"

Da hat die Hände er gefaltet,
    Gelächelt hat er sonder Harm,
Das starre Auge, schon erkaltet,
    Ward noch von einer Thräne warm.
Sanft schlief er ein; wohl nah und ferne
    War's eine bitterkalte Nacht:
Hoch oben nur die goldnen Sterne,
    Die hielten ihm die Todtenwacht.


  Robert Eduard Prutz . 1816 - 1872






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