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Gedichte, Lyrik, Poesie

Gedichte
162 Bücher



Robert Eduard Prutz
Gedichte . 3. Auflage 1847



Das Mädchen

spricht:

1. Das große Kind.

Da fliegt er hin, der stolze Knabe,
    Rasch trägt sein Rößlein ihn vom Ort:
Dem ich mich ganz ergeben habe,
    Mein süßer Schatz, schon ist er fort!
Die Stunde schlug: von meinem Herzen
    Riß er sich zögernd, riß sich los,
Und lächelnd halb und halb mit Schmerzen
    Sprach er: "Ade, 's ist Mannesloos!"

O Mannesloos, o Traum der Ehre,
    Von Männern allzuhoch geschätzt!
Ich wollt', daß er ein Kindlein wäre,
    Und mein Geliebter doch wie jetzt!
In meinem Arm wollt' ich ihn wiegen
    Mit süßem Tändeln, warm und lind,
An meinen Brüsten sollt' er liegen,
    Mein großes, mein verliebtes Kind.

Ei ja, das wären süße Sorgen,
    Das wäre liebe Mutterlust!
Wohl jeden Abend, jeden Morgen
    Hielt' ich ihn fest an meiner Brust:
Mit meinem Kuß wollt' ich ihn tränken,
    Nach dem er sonst so lüstern war,
Und ihm zum Spielwerk wollt' ich schenken
    Mein aufgelöstes, schwarzes Haar.

Ich würd' ein Märchen ihm erzählen
    Von dem verirrten Königssohn,
Der, sich der Hirtin zu vermählen,
    Das Reich vergessen und den Thron:
Mir in die Augen würd' er sehen
    Mit hellen Blicken, stolz und groß,
Und würde lächelnd mich verstehen,
    Und risse dennoch sich nicht los.


2. Ungehorsam.

O ich bin krank, ich möchte weinen,
    Mein armes Herz zerbricht vor Qual;
Doch muß ich still und fröhlich scheinen,
    Weil es mein Liebster mir befahl.
Er hielt zum Abschied mich umschlungen,
    Er sah mir bittend ins Gesicht,
Und zärtlich, wie mit Engelszungen,
    Sprach er: Mein Mädchen, weine nicht!

Da schwand er hin! Zurückgelassen
    Streckt' ich die Arme in die Luft:
Umsonst! ich konnt' ihn nicht erfassen,
    Uns trennt wohl eine weite Kluft.
Nun ist inmitten mir der Menge
    Wie einer Träumenden zu Sinn,
Ich gehe schweigend meine Gänge
    Und lächle, weiß kaum, wo ich bin.

Nur Mitternachts bis an den Morgen,
    Von allen Menschen ungehört,
Dann in die Kissen tief verborgen,
    Damit mein Schluchzen Keinen stört,
Dann mein gepreßtes Herz entlad' ich
    In einer heißen Thränenfluth,
Dann weinend meine Locken bad' ich,
    Auf denen er so oft geruht.

Er wird es ja nicht gleich erfahren,
    Daß ich ihm ungehorsam war,
Auch soll er nimmer es gewahren,
    Wenn er zurückkommt über's Jahr.
Und o ich glaube, wenn er's wüßte,
    Er zürnte mir ja dennoch nicht:
Er ist so gut -! er käm' und küßte
    Die Thräne mir vom Angesicht.


3. Traum.

Mir träumt', daß ich ein Vöglein war
    Mit zwei goldfarb'gen Schwingen,
Mit einer Stimme hell und klar,
    Wohl in die Welt zu singen:
Und vor mir weit die blaue Luft,
    Tief unten Thal und Hügel,
Und Morgenthau und Blüthenduft,
    Zu baden meine Flügel.

Was Luft, was Duft! Ich flog hinaus,
    Pfeilschnell, wohl hundert Stunden,
Bis wo vor meines Liebsten Haus
    Den Nußbaum ich gefunden:
Da flugs ein Nestchen, warm und fein
    Begann ich mir zu bauen,
Ganz dicht bei seinem Fensterlein,
    Daß ich hinein konnt' schauen.

Er lag und schlief, der theure Mann
    Und leise, leise, leise,
Stimmt' ich ein Morgenliedchen an,
    Recht eine sanfte Weise:
So sanft, so weich, als wie ein Hauch,
    Wie Duft von jungen Rosen,
Und lustig doch, wie um den Strauch
    Die muntern Winde kosen.

Schon wacht' er auf: ans Fenster kam
    Mein süßer Schatz geschritten,
Auf seiner Stirne lag's wie Gram,
    Als ob sein Herz gelitten:
Er kam und horchte dem Gesang,
    Und horchte mit Vergnügen,
Und schwieg, und seine Seele trank
    Mein Lied mit vollen Zügen.

O schau, das Fenster öffnet' er
    Und sah hinaus mit Neigen:
Ich flog nicht hin, ich flog nicht her,
    Still saß ich in den Zweigen:
Zu eng ward mir die kleine Brust,
    Die Flüglein wurden mir träge,
Als ob ich schon in banger Lust
    An seinem Herzen läge.

Er streute mir sein Morgenbrod
    Und lockte mich mit Winken,
Sein Schälchen bracht' er gar und bot
    Mir süße Milch zu trinken.
Schon pickt' von seinem Finger ich -
    Da hat er mich gefangen,
Und auf das Köpfchen küßt' er mich
    Und drückt' mich an die Wangen!

Ach, sprach er da, ach wärest du
    Mein Liebchen in der Ferne!
Wie nickt' ich da dir freundlich zu,
    Wie hielt' ich da dich gerne!
O dürfte, wie das Schnäblein dir,
    Ich ihre Lippen küssen,
Die süßen Lippen, die nun mir
    So ferne schmachten müssen! -

Kaum sprach er es, wie dehnten da
    Sich plötzlich meine Glieder!
Ich wußte nicht, wie mir geschah,
    Die Federn stoben nieder:
Sein schwarzbraun Kind mit krausem Haar
    Mit rothverschämten Wangen,
So sank ich hin! ich sank und war
    Von seinem Arm umfangen! -

O weh! da bin ich aufgewacht,
    Ich lieg' im öden Bette:
Ade, du schöner Traum der Nacht,
    Ach wer dich wieder hätte!
Bin nur ein weinend Mägdlein hier,
    Kann nicht die Luft durchdringen:
Nur meine Seele fliegt zu dir,
    Und nur mein Herz hat Schwingen!


  Robert Eduard Prutz . 1816 - 1872






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