Gedichte.eu Impressum    

Gedichte, Lyrik, Poesie

Gedichte
162 Bücher



Robert Eduard Prutz
Gedichte . 3. Auflage 1847



Aus Algier

1837.

Algier war über; der Kasaubah Wall
    Schmückt, blau, roth, weiß, das Banner der Franzosen.
    Der Abend sank; stumm ward der Trommeln Schall,
Stumm allgemach des lust'gen Lagers Tosen.
    Fernab bei Trümmern einer Bastion,
    Wo hoch in Lüften schlanke Palmen kosen,
Saß ein Soldat der Fremdenlegion:
    Ein Deutscher war's, blauäugig, blond von Haaren;
    Und neben ihm der Wüste brauner Sohn,
Ein schlanker Mau'r, fast Knabe noch von Jahren,
    Den er vom Raubzug neulich heimgebracht,
    Als sie am Saum der gelben Steppe waren.
Zum Zwiegespräche lud die linde Nacht;
    Wachtfeuer glimmten in der weiten Runde,
    Hoch drüben hin schwamm hell der Sterne Pracht,
Kein Lüftchen ging; von dem entlegnen Sunde
    Nur klang der Wogen dumpfes Murren her.
    So sprachen Beid' in mitternächt'ger Stunde,
Vom Norden Jener, von der Wüste der;
    Wehmuth und Groll lag Beiden in den Mienen,
    Und Einer horcht' erstaunt des Andern Mär.
Der Maure sprach: "der Stamm der Beduinen
    Hat mich gezeugt; mein Vater war ein Held,
    Solch einen giebt's nicht wieder unter ihnen!
Mein Haus die Wüste, über mir als Zelt
    Des Himmels Dach; mein einziger Gespiele
    Das muntre Roß. Früh jagt' ich über Feld
Und lernte fechten, schießen nach dem Ziele,
    Traf im Galopp das windesschnelle Reh,
    Und hieß ein Reiter, trefflich über Viele.
Wozu nun das? weh meiner Jugend, weh!
    Das Alles nun verdorben und verloren,
    Da ich in Fesseln meine Hände seh'."
Dem Deutschen summt es seltsam in die Ohren,
    Aufseufzt' er leis: von seinem Vaterland,
    Vom Städtchen sprach er, welches ihn geboren,
Dem steinerbauten, engen, Wand an Wand;
    Vom greisen Vater, welcher bei der Menge
    Als treuer Lehrer hoch in Ehren stand;
Dann von der Schulen dumpfig schwüler Enge,
    Wo stummer Ernst mit lautem Spiel sich paart,
    Und von des Winters märchenhafter Strenge.
Und weiter dann von der Studentenfahrt,
    Wo Hieber bald, bald volle Becher klirren,
    Von bunten Mützen, heimlich nur bewahrt;
Vom Zweikampf dann, von Häschern und von Sbirren,
    Wie er den Gegner im Gefecht erschlug,
    Und nun hinaus in wilde Lebenswirren
Den Flüchtigen ein seltsam Schicksal trug,
    Deß letzten Ausgang Keiner kann ermessen.
    Das Alles schwand in rascher Jahre Flug;
Doch hat er nichts, o nichts davon vergessen! -
    Stumm hat indeß, hinstarrend in den Sand,
    Als wie im Traum, der Wüste Sohn gesessen;
Jetzt, himmelan den Feuerblick gewandt:
    "O, Fatme, Fatme! Sahst du die Gazelle,
    Die schlankgebaute, auf des Atlas Rand?
Ihr Aug' ist heller, als des Mondes Helle,
    Der wolkenlos von blauem Himmel lacht,
    Und klar und frisch, wie die Oasenquelle.
Schwarz sind die Locken, schwärzer als die Nacht,
    Und gleich dem Blatt der stolzen Anemone
    Blüht ihrer Wangen wundervolle Pracht;
Ihr Athem duftig, wie die Kafebohne,
    Die unter Yemens Sonne sich gebräunt:
    O, Fatme, Fatme, du der Jungfrau'n Krone!
Fern ist dein Ali, seine Fatme weint;
    Denn Ali liegt von Feindeshand gefangen." -
    Auf sprang der Deutsche: seinem Aug' erscheint
Der Liebsten Bild mit bleich gehärmten Wangen;
    Das Häuschen sieht er, hinter Wald versteckt,
    Wohin er oft noch Mitternachts gegangen;
Die Laube gar, mit Geisblatt überdeckt,
    Wo sie und er geruht in süßem Plaudern,
    Wo sie geküßt, getändelt und geneckt.
"Auf," sprach er, Fremdling! auf und ohne Zaudern,
    Sieh her, die Fessel schneid' ich dir entzwei -
    Die Morgenlüftchen, dünkt mich, fühl' ich schaudern:
Auf, Sohn der Wüste! fliehe, du bist frei."
    Dank stammelnd wollt' der Maure niederknieen;
    Doch Jener führt ihn an der Wacht vorbei,
Giebt ihm sein Roß und heißt ihn heimwärts fliehen.
    Der Mau'r entfloh: und aus der Wüste Meer
    Den Staub in Wolken sah der Deutsche ziehen;
Dann kehrt er um, das Auge thränenschwer.


  Robert Eduard Prutz . 1816 - 1872






Gedicht: Aus Algier

Expressionisten
Dichter abc


Prutz
Gedichte

Intern
Fehler melden!

Internet
Literatur und Kultur
Autorenseiten
Internet





Partnerlinks: Internet


Gedichte.eu - copyright © 2008 - 2009, camo & pfeiffer

Aus Algier, Robert Eduard Prutz