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Gedichte, Lyrik, Poesie

Gedichte
162 Bücher



Robert Eduard Prutz
Gedichte . 3. Auflage 1847



"Wär ich im Bann vor Mekka's Thoren."

1842.

1.

Eines ist für mich verloren:
    Eins beklag' ich, Eins bedaur' ich,
Dieses nämlich, daß ich leider
    Nicht als Türke bin geboren!
Denn vor allem Volk der Erde
    Sind die Türken hoch zu preisen,
Sie allein die wahren Menschen,
    Die Zufriedenen, die Weisen.

Hol' der Teufel unsre Bildung!
    Sagt, was bringt es mir für Ehre,
Daß ich mühsam mich in Sorgen
    Um mein Vaterland verzehre?
Daß die Schmerzen des Jahrhunderts
    Mir in meine Seele schneiden,
Und daß mein Glück mir vergällt ist,
    Weil ich weiß, daß Andre leiden?

Seid ihr etwa darum weiser,
    Weil ihr Euch mit Weisheit brüstet?
Sind wir etwa darum freier,
    Weil nach Freiheit uns gelüstet?
Nein, wir sind sogar noch schlechter,
    Dieses dünkt mich unbestritten:
Denn am Fleisch zwar sind die Türken,
    Doch am Geist sind wir beschnitten.

Wohl, wenn ich ein Türke wäre,
    Dann die Hände auf dem Bauche,
Süße Knasterwölkchen saugt' ich
    Aus dem ambraduft'gen Schlauche;
Neben mir mit nackten Hüften,
    Eine Sklavin schürt' die Kohlen,
Und die andre, die Tscherkessin,
    Kraute dienstbar mir die Sohlen.

Sanft, mit ausgesprühten Perlen
    Sollt' ein Springquell mich erfrischen,
Und in sein melodisch Plätschern
    Flötend sich die Bulbul mischen:
Während ich, in Gottes Frieden,
    Eingemachte Feigen nasche,
Oder unter meinem Kaftan
    Küßt' ich die verbotne Flasche.

Sollt' es aber hin und wieder
    Mir an Unterhaltung fehlen,
Schlummert' ich, und ließ zum Schlummer
    Lust'ge Märchen mir erzählen;
Oder einen Christen rief ich,
    In das Antlitz ihm zu spucken,
Und nicht mit den Augenwimpern
    Dürfte der Giaur mir zucken! -

Kriegt' ich selber auch mitunter
    Ein klein wenig Bastonnade,
Nun, was wär' es, recht besehen,
    Für ein übermäß'ger Schade?
Hab' ich Sklaven nicht und Weiber,
    Die an ihren zarten Füßen?
Jeden Streich, den ich empfangen,
    Hundertfach und drüber büßen?

Und so flössen, klar und eben,
    Unermüdlich meine Tage,
Ohne Wunsch und ohne Sorgen,
    Ohne Leidenschaft und Klage,
Denn was immer, Gut' und Böses,
    Mir vom Himmel wird beschieden,
Weiß ich doch: Allah il Allah!
    Und so trag ich es in Frieden.

Stirbt mein Weib, kauf' ich ein andres,
    Das noch süßer weiß zu lachen;
Stirbt mein Sohn, wohlan, so werd' ich
    Flugs mir einen neuen machen;
Und nun gar die tollen Worte,
    Welche euch den Frieden stören:
Vaterland und Recht und Freiheit,
    Diese werd' ich gar nicht hören.


2.

Sitz' ich dann vor meinem Hause,
    Munter, wie ein Vollmond glänzend,
Neben mir ein holdes Mädchen,
    Meinen Scherbet mir kredenzend:
Nun, wenn Allah so gewollt hat,
    Kann es wohl einmal geschehen,
Daß der Sultan, Sohn der Sonne,
    Wird an mir vorübergehen.

Hurtig vor dem Herrn der Erde
    In den Staub werd' ich mich bücken,
Seines Fußes heil'ge Spuren
    Werd' ich küssen voll Entzücken:
Dann vielleicht auf meinem Schmeerbauch,
    Auf den Wangen ohne Runzeln
Läßt er dann sein Auge ruhen
    Und er spricht zu mir mit Schmunzeln:

"Wie so glatt sind deine Wangen
    Und dein Bauch, was der so rund ist!
Daraus seh' ich, Knecht der Knechte,
    Daß dein Beutel sehr gesund ist.
Also gleich von Allem sollst du
    Mir die Hälfte wiedergeben!
Schenken werd' ich dir die andre
    Und zum Vezir dich erheben."

Also wird der Sultan sprechen;
    Und mit gnädigem Behagen
(Wenn dies nicht zu viel ist) gibt er
    Einen Tritt mir auf den Magen.
Selig werd' ich mich erheben,
    Meine Schätze flink zu theilen,
Dann als Vezir an die goldnen
    Stufen seines Thrones eilen.

Fragt ihr nun, wie ich es fürder
    Als Minister werde treiben?
Nun, versteht sich: als Minister!
    Alles wird beim Alten bleiben:
Nur die Steuern werden steigen,
    Nur die Galgen sich vermehren,
Um Verweichlichung und Lurus
    Von den Bürgern abzuwehren.

Tag für Tag, mit ernster Miene,
    In dem Divan werd' ich sitzen,
Alle, die mein Antlitz schauen,
    Sollen vor Bewundrung schwitzen.
Sollten mal Parteien kommen,
    Wo ich nicht weiß zu entscheiden:
Hundert Prügel dann dictir' ich
    Salomonisch allen beiden. -

Käme dann vor meine Stufen
    Ein europamüder Dichter,
So ein Dingelstedt und Herwegh,
    Oder ähnliches Gelichter,
Die mit ihren frechen Liedern,
    Freiheitjubel, Freiheitschmerzen,
Wahre Drachenzähne streuen
    In der Bürger treue Herzen:

Nun, nicht wahr? Ihr meint ich ließe
    Ohne Weiteres sie säcken?
Weit gefehlt! in meinen Harem
    Ließ ich diese Bursche stecken,
Zu der allerschönsten Sklavin
    Mit den schwärzsten Augensternen -
Und ich wette drauf, sie würden
    Ihre Poesie verlernen!

Aber will auch das nicht helfen,
    Wider menschliches Vermuthen:
Sei's darum! in Gottes Namen
    Singen ließ' ich dann die Guten.
Bin ich doch kein deutscher König!
    Und so will ich's ihnen gönnen,
Da ich weiß, daß meinen Türken
    Sie ja doch nicht schaden können.

Uebrigens um die Regierung
    Würd' ich mich nur wenig grämen:
Wenn kein Geld im Schatze wäre,
    Würd' ich borgen oder nehmen.
Und wenn etwa der Aegypter
    Unsre Truppen sollte schlagen -
Gott ist groß! er wird die Feinde,
    Wenn es Zeit ist, schon verjagen.

Zwar der Sultan wird mir zürnen,
    Und dann wird das Schauspiel enden.
Eine Schnur, recht eine hübsche
    seidne Schnur wird er mir senden -
Wohl zu merken: ein Verfahren,
    das man auch Europas Kronen
Ernst und dringend soll empfehlen;
    Denn es spart die Pensionen -

Doch mit der gewohnten Demuth
    Seinen Willen würd' ich ehren,
Ließ' den Bart noch einmal salben,
    Einmal noch den Schopf mir scheeren:
Dann die allerliebste Schlinge
    Um die fette Kehle knüpft' ich -
Ein Moment! und ohne Weitres
    In den Garten Gottes schlüpft' ich.

Ha, was dort für eine Pracht ist!
    Was für Essen, was für Trinken!
Die uns der Prophet verheißen,
    Süße Houris seh' ich winken -
O verdammt, daß ich als Deutscher,
    Nicht als Türke bin geboren!
Denn so geht zusammt der Erde
    Auch der Himmel mir verloren.


  Robert Eduard Prutz . 1816 - 1872






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