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Karl von Holtei
Gedichte
. 4. Auflage 1856
Gefunden
Eigene Melodie von Holtei.
Es geht ein Knabe über Feld
Auf Frühlings Blumenbahnen,
Sein Busen hebt sich, angeschwellt
Von liebebangem Ahnen;
Er möchte küssen, was er sieht,
Ist jung und doch nicht blöde,
Ist sittsam, doch nicht spröde,
Und kurz: der Knabe ist mein Lied!
Er lächelt hin, er lächelt her,
Möcht' in die Lüfte schweben,
Doch ist er immer noch so schwer,
Er kann sich nicht erheben:
Es fehlt ihm 'was, es quält ihn 'was,
Es will ihn höher treiben,
Er mag im Thal nicht bleiben,
Er flöge gern - wie macht er das?
Da kommt ein blühend Mädchen ihm
Auf halbem Weg entgegen,
Hat Flügel wie die Cherubim
Vielleicht sie haben mögen;
Ist jung und schön, ja schön, und wie!
Umarmet ihn mit Tönen,
Will ihn mit Blüten krönen,
Und kurz: es ist die Melodie!
Nun fliegt das Paar so neu vermählt
Hoch über See'n und Hügel,
Denn sie besitzt ja, was ihm fehlt,
Denn sie hat ja die Flügel;
Nun hebt sie sich mit ihm empor,
Sie hält ihn fest umschlungen;
Was Beide vorgesungen,
Das wiederholt ein lauter Chor!
Karl
von Holtei . 1798 - 1880
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