5. Lampersdorf

Als, ein Knab', ich Dich zuerst geseh'n,
Freundlich Dorf in Deinem Bergeskranze,
War mir noch kein großes Leid gescheh'n,
Wähnt' ich noch die Welt im Frühlingsglanze.
Acht Mal erst hatt' ich das Jahr begrüßt;
Wonnig Ahnen, meine Brust umfloß es! -
Doch mein Leben hätt' ich schier gebüßt
Unter'm Huftritt eines wilden Rosses:
Noch trag' ich die Narbe jenes Tag's.

Als zum andern Mal ich zu Dir kehrte,
Kam ich an, ein Jüngling leichten Schlag's,
Dessen Seele Würd' und Ernst entbehrte:
Flüchtig, unbedacht, in's Blaue träumend,
Meine Pflichten und auch mich versäumend.
Weilte da bei'm Freunde, der so mild,
Oft mich selbst mir vorhielt wie im Bild',
Und mich warnte, wie man Freunde warnt.
Bald darauf hat Krankheit ihn umgarnt,
Und er starb in glüh'nden Wahnsinns Banden.

Als des Mannes Blicke Dich nun fanden,
Dörflein, o wie anders war es gleich:
An Erfahrung und an Kummer reich,
Trat ich ein in Deines Schlosses Hallen,
Fühlte ferne Zeit vorüberwallen,
Dachte der Verstorb'nen; - doch da kam
Ida mir entgegen. Ihr Erscheinen
War so tröstend, daß entfloh der Gram!
Und ich fühlte mich wie bei den Meinen:
Frohe Kindheit kehrte spielend wieder,
Und der Winter blüht' in Knospen auf,
Und die Blumen sangen vor'ge Lieder,
Murmelnd lauschten gar die Bäche d'rauf;
Ja, der thör'ge Jüngling war verschwunden,
Knab' und Mann, die hatten sich gefunden.

Käm' ich aber wieder - und ich werde!
O fürwahr, ich will Dich wiederseh'n,
Wieder Dich betreten, heil'ge Erde,
Wo sie modert; - wie wird mir gescheh'n?

Ach, ich fühle schon des Grabhauchs Gruß,
Fühle schon vorher die heißen Schmerzen.
Schmerzen!? Ist's die alte Narb' am Fuß??
Nein, es ist die neue Wund' im Herzen!


  Karl von Holtei . 1798 - 1880

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