Prolog zur Genesungsfeier des Kaisers

(Gräz am 15. März 1853.)
(Die Bühne stellt ein einfaches Zimmer dar. Es tritt auf:)
Ein Bürgermädchen.

Sie haben mich allein gelassen,
Mit meines Herzens mächtigem Gefühl;
Sie sagten, draußen in den Gassen
Da dränge sich ein tobendes Gewühl,
Weil Jeder will den heut'gen Kirchgang seh'n.

Die Brüder sind wohl besser d'ran: die geh'n
Frisch in den Lärm hinein; die wagen
Sich gar vielleicht bis in den heil'gen Raum,
Wo Er dem Ew'gen Dank will sagen
Für die Genesung?

            Mir ist's, wie ein Traum:
Der erste Schreck, - die Freude, - neues Bangen,
Hoffnung und Furcht, - inbrünstiges Verlangen, -
Gebet und Trost, - dann frohe Zuversicht, -
Und heut' schon die Erfüllung!

            Hör' ich nicht
Der Glocke Ton? - Jetzt tritt Er in die Pforte
Des hohen Dom's!!

            Und ich! Was klag' ich? - Auf,
Du thöricht Kind! Gott weilt an jedem Orte!
Das Knie zum Staub, den Blick zum Licht hinauf!
Auch ich, in einem Tempel knie' ich hier,
Bin nicht allein, die Engel sind bei mir.

Du guter Engel, der mit gold'ner Schwinge
Ihn sanft umrauscht, bei drohender Gefahr,
Verlass' Ihn nie! Hörst Du? Vollbringe
Den herrlichsten Beruf; begleit' Ihn immerdar
Mit Deinem Schutz, mit Deinem Segen;
Zieh' stets mit Ihm, auf allen Wegen.

O Herr der Himmel, rufe nie zurück
Den guten Engel, daß er Heil und Glück
In Deinem Namen reichlich spende,
Daß er jedwedes Unheil wende,
Von heute bis an's späte, späte Ende!

Sieh' lieber Gott, der Kaiser ist so gut,
So jung, so brav, so treu, so reich an Lebensmuth;
Erhalt' Ihn uns, erhalt' Ihn uns zum Glück,
Ruf' Deinen guten Engel nicht zurück!

Musik? Gesang? - Ich kann nicht länger weilen;
Sie zieh'n heran; den Jubel muß ich theilen!
Sei meine Stimme noch so schwach;
"Hoch unserm Kaiser!" spricht sie kräftig nach.


  Karl von Holtei . 1798 - 1880

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