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Karl von Holtei
Gedichte
. 4. Auflage 1856
19.
Ich bin nicht Menzel, der Franzosenfresser,
D'rum seh' ich's ein, Franzosen schreiben besser
Für ihre Bühne, als wir schreiben werden,
Wir mögen uns noch so gelehrt geberden.
Nicht stimm' ich ein in alle die Beschwerden,
Die sich erheben gegen's "Uebersetzen",
Ich weiß Pariser Dramen wohl zu schätzen.
Nur Eins kann mich in bittern Zorn versetzen:
Das ist die Weise, wie sie übersetzen.
Sie fallen d'rüber her und sind sich leider
Nicht fördernd Helfer, sondern hindernd Neider;
Sie jagen sich dabei als wie mit Peitschen.
Anstatt, was undeutsch ist, klar zu verdeutschen,
Näh'n sie zusammen halb zerriss'ne Fetzen.
Nicht übersetzen ist das: - überhetzen! -
Dem Vaudevill' raubt man die hübschen Lieder
Und giebt's uns als langweil'ges Schaustück wieder;
Gleich wie in Spanien Knaben Hennen rupfen
Und federlos die Vögel lassen hupfen,
So wird gemartert Theaulon und Scribe;
Da möcht' ich seh'n, was dann auch lieblich bliebe!?
Braucht Deutschlands Magen täglich Neuigkeiten,
Und könnt Ihr solch' Geflügel nicht bereiten,
Müßt Ihr es aus Paris Euch holen, Kinder,
Seid zierlich: Köche - aber seid nicht Schinder!
Weit besser wär's - kocht man auch drüben besser -
Ihr überreiztet hüben nicht die Esser;
Weit besser wär's gewesen, zehnmal besser,
Ihr hättet Esser nicht verkehrt in Fresser,
Die ohne Auswahl eiligst nur verschlingen,
Was plumpe Diener auf die Tafel bringen.
Denn die Gerichte aus der alten Küche
Steh'n noch bereit und spenden Wohlgerüche;
Versuchte man, sie fleißig aufzuwärmen,
Heilsam wär' ihre Kraft den schwachen Därmen,
Und wüßte man geschickt sie aufzutragen,
Sie würden dem Geschmack auch noch behagen.
Karl
von Holtei . 1798 - 1880
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