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Karl von Holtei
Gedichte
. 4. Auflage 1856
18.
Es hat einmal ein armer Jude
Den grausam sein Geschick verflucht,
Als letzte Hoffnung seines Lebens
Ein Häringshandelchen versucht.
Auch das schlug fehl! - Er kehrt nach Hause,
Die Nacht war schaurig, feucht und kalt,
Von Hunger matt und bleich vom Grame
Erreicht er einen finstern Wald.
Und legt sich fröstelnd hin, zu schlafen,
Verschläft die Nacht, so gut er kann -
Als er erwacht, schaut ihn vom Kreuze,
Bei dem er lag, der Heiland an.
Das Haupt von Dornen scharf umwunden:
Es war ein schlechtes Holzgebild
Doch war's ein treues Bild der Leiden
Und lächelte im Jammer mild.
Der Jude rief hinauf in Thränen,
Die Mitgefühl hervorgedrängt:
Hast auch mit Häringen gehandelt,
Du armer Mann, der oben hängt?
An die Erzählung denk' ich häufig.
Weil's mich auch so zu fragen treibt,
Begegn' ich einem deutschen Dichter,
Der für die deutsche Bühne schreibt.
Karl
von Holtei . 1798 - 1880
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