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Karl von Holtei
Gedichte
. 4. Auflage 1856
Einem Freunde
(Wien 1835.)
Mein zitternd Saitenspiel und seine Klänge,
Verhallend in dem wogenden Gedränge
Des bunten Lebens, haben Deiner Brust
Antheil entlockt und wohlgeneigte Lust.
Du hast den armen, fremden Unbekannten,
Als Viele um ihn her sich von ihm wandten,
Um seiner Lieder Willen gern geseh'n
Und siehst ihn ungern heute scheidend geh'n.
So lebe wohl! Und freue Dich des Lebens
Im Vollgenusse geistig-reinen Strebens;
Denn glücklicher ist Jener, der genießt
Was um ihn her die Poesie erschließt,
Als Jener der aus tiefzerriss'nem Herzen
Versenden muß die Kinder seiner Schmerzen.
Empfangen darf der Erste froh und warm;
Der And're giebt und bleibt doch selber arm.
Und wenn dereinst ein leises Glockenklingen
Dir aus der Ferne wird entgegen dringen,
Es ist des Sängers mattes Grabgeläut',
Des Sängers, dessen Lied dich mild erfreut.
Der Tod allein kann schlichten und versöhnen. -
Dann lausche lächelnd solchen Grabestönen
Und sprich: erst jetzt hat er sein Ziel erreicht
Der Wandernde. - Die Erde sei ihm leicht!
Karl
von Holtei . 1798 - 1880
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