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Gedichte, Lyrik, Poesie

Gedichte
162 Bücher



Karl von Holtei
Gedichte . 4. Auflage 1856



Die Herbersteine

1.

Als Kaiser Otto siegte, der Erste so genannt,
Bei Augsburg auf dem Lechfeld, im schönen Baierland,
Viel' tapf're Degen kämpften für deutsche Sache kühn,
Daß Oest'reich wieder möge, und Steiermark erblüh'n.

Viel' edle Ritter führten der Krieger feste Reih'n,
Viel' tapf're Bauern schlugen gleich Rittern tapfer d'rein
Aus diesen ragte mächtig ein armer Bauer vor,
Den auch vor allen Andern des Kaisers Huld erkor.

Herbert war er geheißen der arme Bauersmann,
Der sich an solchem Tage den Ritterschlag gewann,
Der seine neuen Ehren bescheidentlich ertrug:
Er setzte in sein Wappen den alten Bauernpflug.

Wohl hatt' er Pfluges Eisen umschmiedet in ein Schwert,
Jetzt ward die mächt'ge Klinge zum Friedenspflug verkehrt,
Und wie dem wilden Feinde dort Wunden er geschlitzt,
Reißt er den wilden Boden zum Ackerland anitzt.

Und wie er Feindes Lanzen danieder dort gemäht,
Mäht er die scharfen Dornen aus weichem Ackerbeet;
Baut sich im Feistritzthale, der Herbert, fest doch klein
Den niedern Wohnsitz, nennt ihn schlechthin: den Herbertstein.

Neun Schwestern und sechs Brüder steh'n fleißig ihm zur Seit';
Neun Schwestern hüllen wechselnd sich in ein Mantelkleid;
Der Brüder sieben aber, ihr Reichthum birgt sich gar
In einem ritterlichen, doch einem Hosenpaar.

O Armuth sonder Gleichen! Du schlichter Bauernheld,
Dein Sinn war nur auf Treue, auf Recht und Muth gestellt!
Und alle Neun die Schwestern, von Männern rings erwählt,
Aus einem Mantel werden sie alle gut vermählt.

Und alle Brüder schaffen mit Herbert im Verein,
Sie leben still und fleißig auf ihrem Herbertstein,
Sie kehren arbeitmüde vom Acker in ihr Haus,
Der Ritter und die Bauern ruh'n miteinander aus.

Wenn dann der Schlaf dem Ritter die Stirn mit Mohn umkränzt,
Geschieht es, daß im Traume die Hall' ihm weit erglänzt;
Sein geistig Auge dringet tief in der Zukunft Reich,
Er sieht, die nach ihm folgen, geachtet, groß und reich.

Er sieht sie jagen, schweifen nach Ehren, Glück und Gold,
Er sieht sie kämpfen, ringen um Hof- und Minne-Sold,
Er sieht sie auf den Bahnen der bunt-bewegten Welt,
Sieht ihren Sinn gar häufig auf eitles Ziel gestellt.

Und wendet sich im Schlafe auf hartem Lager um,
Die Lippe zuckt ihm lächelnd, er murmelt: sprecht, warum?
Mit euch mag ich nicht tauschen; hier bleibt mein Friedensport!
Und hört die Feistriz rauschen, schläft ruhig weiter fort.


2.

Wer ist's, der in der Zelle des öden Klosters fest
Und unerschüttert muthig sein Wort ertönen läßt?
Der einem strengen Herrscher die Wahrheit nicht verhehlt
Und ohne Furcht verkündet, was ihm die Brust beseelt?

Der Herrscher, der verlegen ihm gegenüber stand,
War Christiern der Däne, gehaßt im ganzen Land;
Der Sprecher, Held wie Weiser, ja beides im Verein,
Er stammt vom Bauer Herbert, er ist ein Herberstein.

Sigmund! Welch' schöner Name für ihn, dess' reiner Mund
Den Willen seines Kaisers stets siegreich machte kund;
Der sich in allen Landen, wohin er ausgesandt,
Von allen Fürsten, Völkern geliebt bewundert fand.

Ein schwächlich Knäblein schien es, als er den Tag erblickt,
Die Eltern haben Seufzer für ihn empor geschickt,
Zum heil'gen Haus Loretto's besorglich ihn verlobt;
Daß Gott im Schwachen mächtig hat sich am Kind erprobt.

Er wuchs an Geist und Leibe, entfaltend Herz und Sinn,
Was Andern todtes Wissen, ward lebend ihm Gewinn:
Er findet im Erlernen nicht Arbeit, nur Genuß
Und ist zu sechszehn Jahren schon Baccalaureus.

Da sagt er selbst, daß Viele sich dessen sehr geschämt,
Er aber sich erfreuet. Doch hat's ihn nicht gegrämt,
Die Feder mit dem Schwerte vertauschend, - wie den Pflug
Einst Herbert, - frisch zu folgen der heil'gen Liga Zug.

Er trägt die Siegesfahne im Kampfe schwenkend vor,
Verjagt die Venetianer bald von Marano's Thor,
Speist dann die armen Städter. Dafür am Sieg-Festtag
Zu Innspruck giebt der Kaiser ihm selbst den Ritterschlag.

Im Jahre fünfzehnhundert und sechszehn als man schrieb,
Des Kaisers Wort den Sigmund in's kalte Rußland trieb,
Daß er dem Zaar Wasili Iwanowits den Schmerz
Des Krieges schildernd, Frieden sanft lege an das Herz.

Und weil er fast noch kindisch und spielend einst erlernt,
Sich auszudrücken windisch, kann er nun weit entfernt
Von seiner Heimat Klängen in Rußland heimisch sein,
Dem was er hört und redet die eig'ne Zunge leih'n.

"Mein Brot sollst mit mir theilen!" so spricht der große Zaar,
Wird sein Genoß, entläßt ihn mit Ehren wunderbar,
Und Sigmund, wie er wieder ein Sieger heimwärts kehrt,
Diesmal im Friedenslorber, verkündet er und lehrt.

Erhellet tiefes Dunkel, vertilget alten Wahn,
Vertreibt dem grauen Kaiser, dem Maximilian,
Vom "eis'gen Lande" plaudernd, so manche Winternacht;
Er spricht, die Hörer lauschen, der Kaiser staunt - und wacht.

Der Kaiser stirbt! Es regen sich Zwiespalt, Kampf und Drang,
Viel' fallen ab vom Rechten, dem Sigmund wird nicht bang;
Nach Spanien gesendet ist er's der treu gesinnt
Des jungen Königs Gnade freundlich und klug gewinnt.

In Brüssel später wirkend voll Milde, dennoch stark,
Spricht er und handelt sprechend für Landschaft Steiermark;
Erwirkt von Carln Bestät'gung für sie des alten Rechts.
Der Kaiser bessert gnädig das Wappen des Geschlechts:

Dem Pfluge des Urahnen vereinen sich zugleich
Das Wappen von Castilien und das von Oesterreich,
Den Helm verzieren Bilder, ein hohes Kleeblatt war's,
Des röm'schen Kaisers, Königs von Spanien und des Zaar's

Und so entsendet immer wo es das Schwerste galt,
Zieht er nach Süden, Norden, siegt mit des Schwert's Gewalt,
Nach Worms zum hohen Reichstag, nach Schwaben, wo die Schaar
Der bäurischen Empörer noch kaum gebändigt war.

So nach den Niederlanden, nach Böheim, Ungarn hin,
Dann abermals nach Rußland und in dem alten Sinn,
Um Frieden zu erheischen. Vom Winter hart bedroht,
Vernimmt er auf der Heimkehr des Königs Ludwig Tod.

Nicht achtend seiner Glieder, die schon im Frost erstarrt,
Eilt er zum Polenkönig nach Krakau, drängt und harrt,
Bis er von Böheim, Ungarn, die Kronen sicher weiß
Dem Ferdinand, dann zieht er 'gen Prag mit diesem Preis.

Und als der große Türke, der mächt'ge Soleyman
Jenseit des Donauflusses halb Ungarn sich gewann,
Als er in Ofen thronte, wer thut ihm Botschaft kund?
Wer wagt es? Wer vermag es? Wer sonst als Sigismund?

Nach altem Brauche muß er, als Türke angelegt
Vor jenen Erbfeind treten. Doch unter'm Kaftan trägt
Sein christlich' Kreuz der Deutsche auf seiner deutschen Brust
Und bleibt im Türkenkleide sich wer er sei bewußt.

So ist er abgebildet zu schau'n auf Herberstein
Im Ahnensaal. Da stand ich, umstrahlt vom Wiederschein
Des thatenreichsten Lebens, das er, ein Greis, beschreibt
Und das ein ewig' Denkmal so selt'nen Mannes bleibt.

Solch' Leben ist ein Epos, ein handelndes Gedicht,
Uns Reimer dieser Tage bedrücket sein Gewicht:
Es wär' ein Buch zu füllen! - Ich fühle mich zu schwach,
Wollt ihr ihn recht erkennen, so les't ihn selber nach.

Ihn, der in Schlachten tapfer, hochweis' im Cabinet,
Im Leben ohne Makel, ein echter Freiherr steht,
Der achtzig Jahr' voll Ehren zu Grabe friedlich trägt,
Dem Ferdinand, Erzherzog, den Stein auf's Grab gelegt.


3.

Im alten Felsenschlosse genannt zum Herberstein,
Da ist ein fröhlich' Regen durch kindlichen Verein;
Drei holde Knaben springen die Hallen dort entlang,
Freu'n sich des jungen Lebens mit Spiel und mit Gesang.

Aus Mähren sammt den Eltern sind sie gekommen heut,
Den Grafen zu besuchen der sich der Enkel freut,
Und der sie zu erfreuen mit ihnen lacht und springt,
Um fünfzig Jahre jünger in ihnen sich verjüngt.

Der Aelt'ste von den Dreien, schön wie nur Kinder sind,
Weshalb seh' ich nachdenklich auf dieses lust'ge Kind?
Weshalb erfüllt sein Anblick mit banger Ahnung schier,
Mit Wehmuth mich? Was wollen so ernste Träume mir?

Sein Name thut's, denn Sigmund ward dieses Kind getauft.
Solch' großer Name, Kleiner, wird theuer nur erkauft;
Ihn führen magst du freilich, er ward dir, er ist Dein!
Willst du ihn würdig tragen, setze dein Leben ein.

Es ist ein großer Name und seine Last ist schwer.
Bedenk' es zeitig, Knabe, du nennest dich wie Er!
Mit ihm dich zu vergleichen hält dich der Name wach,
Du kannst ihn nie erreichen, doch streb' ihm tüchtig nach.

Und wenn vor seinem Bilde du schwurst: Dich ihm zu weih'n,
Dann geh' gesenkten Blickes zum niedern Herbertstein,
Wo längst zu Schutt zerbröckelt des Urahn's Beste stand
Und leg' auf die Ruinen gerührt die schwache Hand.

Wie Sigmund, wirst du Sigmund nicht durch die Länder geh'n,
Entdeckend nicht, noch lehrend vor großen Herrschern steh'n;
Die Welt hat sich geändert, die Zeiten sind so matt,
Bis in die fernsten Zonen der Weg jetzt frei und glatt.

Vor Moskovitern, Türken bebt Deutschland heut' nicht mehr,
Im Schooß des eig'nen Landes lebt uns der Feinde Heer,
Ja, Heuchelei, Neid, Hochmuth, Prunksucht und Gier nach Geld,
Und Müßiggang, - so heißen die Gegner dir im Feld.

Walt' einst auf jenen Fluren, die dir urerblich sind,
Im Geiste jenes Bauers von dem entsprossen, Kind,
Die Väter deiner Väter und lern' am Herbertstein:
Auch in des Dorfs Beschränkung kannst du ein Sigmund sein.

Er stand im Kriegsgetöse, - dich wiegte Friedensruh;
Nach Außen wirkte Sigmund, nach Innen wirke du
Und sorge, daß aus Steier bis Schlesien hinein
Dein Name rein erklinge: Sigmund zu Herberstein.


  Karl von Holtei . 1798 - 1880






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Die Herbersteine, Karl von Holtei