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 Anastasius Grün
 Gedichte
. 1869
 
 
 
 
 
Storch Das ist der vielgereiste TouristHerr Storch, der heimgekehrte,
 Mit langen, stolzen Schritten mißt
 Des Daches First der Werthe.
 
 Er trägt, wie's Wandrerart gebot,
 Ein weißes Blousenhemde
 Nebst hohen Stiefeln von Juchten roth,
 Und preist die schöne Fremde:
 
 "Da wären wir wieder, da wohnen wir
 Grad' über dem Stall der Rinder!
 Prophet in der Heimath, bin ich hier
 Das Spiel der Bauernkinder.
 
 "In Rom wohnt' ich auf dem Vatikan,
 Sah wandeln den Pabst im Garten,
 Da wuchsen, seht eure Kürbiss' an,
 So groß der Orangen Arten.
 
 "Vom Rhein war böse Post gerad',
 Der Pabst in Sinnen verloren;
 Ich gab ihm einen guten Rath,
 Er mir den Orden vom Sporen.
 
 "Auch hatt' er drob mir keinen Verdruß,
 Als ich ihm in Einem Sitze
 Vor Durst aussoff den Tiberfluß,
 So groß ist dort die Hitze.
 
 "Am Aetna schnell vorüber ging's,
 Zwei sah ich um Schwefel streiten;
 Ich schaute rechts, ich schaute unks,
 Es stank auf beiden Seiten.
 
 "Als über das blaue Meer ich zog,
 Da flaggten mir alle Schiffe,
 Ihr Donner zum Ehrengruß mir flog
 Weithin an Gestad' und Riffe.
 
 "In Syrien fand ich ein irres Heer,
 Verhungernd, versprengt in der Wüste;
 Ich flog vor ihm durch des Sandes Meer
 Als Führer zu Mizraims Küste.
 
 "Da lag der Feldherr todeskrank,
 Zu Ende mocht' es eilen;
 Des Vetters Ibis Kunst sei Dank,
 Die mich gelehrt, ihn zu heilen!
 
 "Mit weißem Bart der alte Paschah
 Zum Großfeldscher mich ernannte,
 Gab mir zur Lehn das Nilland da
 Und was drin kroch, schwamm, rannte.
 
 "Auf Pyramiden, bei fürstlicher Kost,
 Durft' ich in Herrlichkeit thronen;
 Mir huldigten Völker aus Süd und Ost,
 Wie Göttern der Pharaonen."
 
 Den Reisebericht indessen erklärt
 Frau Storchin den Nachbarinnen:
 "Am Nil hat er ein Würmlein verzehrt,
 Den Tiber - sah er rinnen."
 
 
 Anastasius
Grün . 1806 - 1876
 
 
 
 
 
 
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