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 Anastasius Grün
 Gedichte
. 1869
 
 
 
 
 
Der Ritt zur Schule Am
Kloster San LorenzoEin Bauer leise schellt,
 Der am verbrämten Zaume
 Fest seinen Esel hält.
 
 Das Thier wiegt auf dem Kopfe
 Stolz seinen Federschwall,
 Als wär's in seinem Volke
 Schier Hof- und Feldmarschall.
 
 Es trägt auf seinem Rücken
 Den Korb von ries'gem Maß,
 Dazu des Bauers Söhnlein
 Und Hühnerstall und Faß.
 
 Das Kind steckt in der Kutte
 Just nach des Paters Schnitt,
 Der aus der Klosterpforte
 Gar feierlich jetzt tritt.
 
 So stehn die Zwei beisammen
 Wie Löwenkätzlein und Leu,
 Wie Eidechslein und Kaiman,
 Wie Goldfischlein und Hai.
 
 "Nehmt, Vater, nehmt mein Söhnlein
 Mild auf in Lehr' und Zucht"
 ""Mein Sohn, sei uns willkommen!
 Es findet, wer da sucht!""
 
 "Mein Vater, und wer klopfet,
 Dem wird ja aufgethan;
 Gern legte sich zu Füßen
 Euch dieser Puterhahn."
 
 ""Mein Sohn, es ist die wahre,
 Die fromme Furcht des Herrn,
 Die in der Nacht des Lebens
 Erglänzt als heller Stern.""
 
 "Mein Vater, laßt euch munden
 Den Trank aus diesem Faß;
 Orvieto's Fluren quollen
 Noch nie von süßrem Naß!"
 
 ""Mein Sohn, 's ist Nächstenliebe
 Die schön das Dasein krönt,
 Gleichwie die Rebguirlande
 Dein Schollenfeld verschönt.""
 
 "Mein Vater, und Artischocken
 Und Broccoli, wie die
 In diesem Korb zu Schocken,
 So schöne saht ihr nie!"
 
 ""Mein Sohn, es ist die Tugend
 Der Samen, den wir sä'n;
 O mag das Herz der Jugend
 Voll ihrer Saaten stehn!""
 
 Auf led'gem Esel trabte
 Der Bauersmann davon,
 Der Weisheit Lehre labte
 Alsbald den zarten Sohn.
 
 Fast hört' er den schon klagen:
 "O arge, böse Zeit!
 Die Tugend wird gesotten
 In Kesseln, groß und weit!
 
 "Und, ach, die Nächstenliebe
 Verblutet im Kellerverließ!
 Die Furcht des Herrn, erdrosselt,
 Brät an dem langen Spieß!"
 
 
 Anastasius
Grün . 1806 - 1876
 
 
 
 
 
 
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