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 Anastasius Grün
 Gedichte
. 1869
 
 
 
 
 
Begrüßung des Meeres Unermeßlich und unendlich,Glänzend, ruhig, ahnungschwer,
 Liegst du vor mir ausgebreitet,
 Altes, heil'ges, ew'ges Meer!
 
 Soll ich dich mit Thränen grüßen,
 Wie die Wehmuth sie vergießt,
 Wenn sie trauernd auf dem Friedhof
 Manch ein theures Grab begrüßt?
 
 Denn ein großer, stiller Friedhof
 Eine weite Gruft bist du,
 Manches Leben, manche Hoffnung
 Deckst du kalt und fühllos zu;
 
 Keinen Grabstein wahrst du ihnen,
 Nicht ein Kreuzlein, schlicht und schmal,
 Nur am Strande wandelt weinend
 Manch ein lebend Trauermal. -
 
 Soll ich dich mit Jubel grüßen,
 Jubel, wie ihn Freude zollt,
 Wenn ein weiter, reicher Garten
 Ihrem Blick sich aufgerollt?
 
 Denn ein unermeßner Garten,
 Eine reiche Flur bist du,
 Edle Keime deckt und Schätze
 Dein kristallner Busen zu.
 
 Wie des Gartens üpp'ge Wiesen
 Ist dein Plan auch glatt und grün,
 Perlen und Korallenhaine
 Sind die Blumen die dir blühn.
 
 Wie im Garten stille Wandler
 Ziehn die Schiffe durch das Meer,
 Schätze fordernd, Schätze bringend,
 Grüßend, hoffend, hin und her -
 
 Sollen Thränen, soll mein Jubel
 Dich begrüßen, Ozean?
 Nicht'ger Zweifel, eitle Frage,
 Da ich doch nicht wählen kann!
 
 Da doch auch der höchste Jubel
 Mir vom Aug' als Thräne rollt,
 So wie Abendschein und Frühroth
 Stets nur Thau den Bäumen zollt.
 
 Zu dem Herrn empor mit Thränen
 War mein Aug' im Dom gewandt;
 Und mit Thränen grüßt' ich wieder
 Jüngst mein schönes Vaterland;
 
 Weinend öffnet' ich die Arme,
 Als ich der Geliebten nah;
 Weinend kniet' ich auf den Höhen,
 Wo ich dich zuerst ersah.
 
 
 Anastasius
Grün . 1806 - 1876
 
 
 
 
 
 
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