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Franz Grillparzer
Gedichte . 1872



Die Ruinen des Campo vaccino in Rom

Rom, im Frühjahr 1819.

Seid gegrüßt, ihr heil'gen Trümmer,
Auch als Trümmer mir gegrüßt!
Obgleich nur noch Mondesschimmer
Einer Sonn', die nicht mehr ist.
Nennt euch mir, ich will euch kennen,
Ich will wissen, was ihr war't;
Was ihr seid, braucht's nicht zu nennen,
Da die Schmach euch gleich gepaart.

Eintrachtstempel! - du der erste,
Der sich meinem Blick enthüllt! -
Deine letzte Säule berste,
Schlecht hast du dein Amt erfüllt!
Solltest deine Brüder hüten,
Warst als Wächter hingesetzt,
Und du ließest Zwietracht wüthen,
Die sie fällt und dich zuletzt.

Jupiter! aus deinem Tempel,
Stator, der zu stehn gebeut,
Brich des Schweigens Sklavenstempel,
Heiß' sie stehn, die neue Zeit!
Doch umsonst ist hier dein Walten,
Du stehst selber nur mit Müh':
Unaufhaltsam gehn die Alten
Und das Neue über sie.

Warum in das Feld der Leichen
Ist, Septimius Sever,
Eingang dieß dein Siegeszeichen?
Ausgang, dünkt es mich vielmehr.
Als dem letzten, der's zu fassen -
Wenn auch nicht zu thun - verstand,
Sei ein Plätzchen dir gelassen -
Doch nicht hier, am äußern Rand.

Titus, nicht dem Ruhm - dem Frieden
Bautest du dein Heiligthum;
Doch dir ward, was du vermieden,
Jeder Stein spricht deinen Ruhm.
Auch den Frieden in dem Munde
Ging ein andrer d'rauf ins Haus;
Doch der Friede zog zur Stunde
Aus dem Friedenstempel aus.

Curia, die aus ihren Thoren
Krieg der Welt und Frieden ließ;
Harrst du deiner Senatoren?
Einer doch ist dir gewiß.
Sieh' ihn stehn dort an den Stufen,
Bei dem Mann im Priesterkleid;
Sieh' er kömmt, wird er gerufen,
Und er geht, wenn man's gebeut.

In des Purpurs reichen Falten,
Majestätisch steht er da! -
Ja, du suchst nach deinem Alten?
Schließ' die Pforten, Curia!
Unten such', die unten wohnen,
Wir sind oben leicht und froh;
Rom hat nur noch Ciceronen -
Aber keinen Cicero.

Hat der Bruder dich erstochen,
Remus mit dem weichen Sinn?
Schau, für das, was er verbrochen,
Er, sein Reich, gleich dir dahin! -
Dort in seines Tempels Hallen
Schmutz'ger Mönche düstrer Zug,
Horch, des Küsters Glöcklein schallen!
Dünkt die Rache dir genug?

Roma, Venus; Schönheit, Stärke;
Pulse ihr der alten Welt,
Hier in Mitte eurer Werke
Euer Tempel aufgestellt.
In der stummen Schönheit Prangen,
Kalt in Trümmern, wank und schwach -
Was ihr zeugtet, ist vergangen,
Folget euren Kindern nach.

Dort der Bogen, klein und enge,
Schwach gestützt, und schwer verletzt;
Wem von all' der Helden Menge
Ward so ärmlich Mal gesetzt?
Titus. - O so laßt es fallen,
Denn ob's auch zusammen bricht,
So lang Menschenherzen wallen,
Brauchst du, Titus, Steine nicht!

Hoch vor allen sei verkläret,
Constantin, dein Siegesdom,
Mancher hat manch' Reich zerstöret,
Aber du das größte - Rom.
Ueber Roma's Heldentrümmern
Hobst du deiner Kirche Thron.
In der Kirche magst du schimmern,
Die Geschichte spricht dir Hohn!

Mit dem Raub von Trajans Ehren
Hast du plump dein Werk behängt;
Trajan kann des Schmucks entbehren,
Er lebt ewig, unverdrängt,
Aber eine Zeit wird kommen,
Die zerstäubt geraubte Zier,
Da erborgter Schein verglommen; -
Was spricht, Heuchler, dann von dir?

Colosseum, Riesenschatten,
Von der Vorwelt Machtcoloß!
Liegst nun da, in Todsermatten,
Selber noch im Sterben groß!
Und damit verhöhnt, zerschlagen
Du den Martertod erwarbst,
Mußtest du das Kreuz noch tragen,
An dem, Herrliches, du starbst!

Nehmt es weg, dieß heil'ge Zeichen,
Alle Welt gehört ja dir;
Ueb'rall, nur bei diesen Leichen,
Ueb'rall stehe, nur nicht hier! -
Wenn ein Stamm sich losgerissen
Und den Vater mir erschlug,
Soll ich wohl das Werkzeug küssen,
Wenn's auch Gottes Zeichen trug?

Colosseum - die dich bauten,
Die sich freuten um dich her,
Sprachen in bekannten Lauten,
Dich verstanden - sie nicht mehr!
Deine Größe ist gefallen,
Und die Großen sind's mit ihr,
Eingestürzt sind deine Hallen
Eingebrochen deine Thür'.

O! so stürz' denn ganz zusammen,
Und ihr andern stürzet nach,
Decket Erde, Fluthen, Flammen,
Ihre Größe, ihre Schmach!
Hauch' ihn aus den letzten Odem,
Riesige Vergangenheit;
Flach dahin, auf flachem Boden
Geht die neue flache Zeit!


  Franz Grillparzer . 1791 - 1872






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