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Franz Grillparzer
Gedichte . 1872



Stabat mater

(Von Rossini.)

(1843.)


Nun wohl, es ward euch dargebracht,
Ihr habt es nicht erkannt;
In all der Tonkunst Zaubermacht,
In des Gefühles Farbenpracht,
Ihr wies't es von der Hand.
Ihr jauchztet wenigstens nicht laut,
Daß in der Zeiten Sand,
Der dürre Kräuter spärlich trägt,
Von Zweifelsdornen eingehegt,
Die Rose euch entstand,
Die dasteht mit gesenktem Haupt,
Euch bittend: "Seht mich an und glaubt!
Vergeßt für einen Augenblick
Euch selbst in des Genusses Glück!"
Ihr aber wieset es zurück.
Was liegt daran! Das Werk besteht,
Und euer später Enkelsohn
Zahlt einst die Schuld des Vaters schon,
Wie ihr für eure Väter steht,
Die Mozarts Don Juan verschmäht.
Den Meister aber kümmert's nicht,
Er kennt die Welt, mich däucht, er spricht:

    "Wenn sie mit den Augen hört,
    Mit den Ohren sieht,
    Mit dem Kopfe fühlt,
    Und dem Gefühle denkt,
    Ist sie nicht werth, daß man sich kränkt."

Eins aber ging verloren, eins,
Der Unschuld Glück, o Oestreich, dein's!
In Deutschlands kalter Nebelnacht,
Wo längst kein Sonnenstrahl mehr lacht,
Irrwische leuchten, fauler Dunst,
Mit der Natur einschlief die Kunst,
Lagst du, Oasen ähnlich, da
Für den, der bess're Zeiten sah.
Ein lauer Hauch ging durch die Luft,
Durchwürzt von kleiner Veilchen Duft,
Die Bäume standen froh und frisch,
Von Licht und Schatten ein Gemisch.
Und wenn dein Wissen minder reich,
Was wahr, theilt Gott an Alle gleich.
Drum gab's in deinen Thälern Schall,
Es klang das Lied der Nachtigall,
Indeß an deiner Grenze Saum,
Der heis're Sperling zwitschert kaum,
Und Papageien sinnentfernt
Nachplappern, was sie eingelernt.
Allein die Gletscher schreiten fort,
Es wächst das Eis von Ort zu Ort,
Und der Pedant, ein rauher Nord,
Er bläs't dich an mit seinem Wort.
Was liegt daran! Das Wort vergeht,
Die Kunst, der Mensch, die Welt besteht.
Doch, wenn, nicht mehr wie sonst geneigt,
Das Lied dir, gleich den Nachbarn, schweigt,
Dann denke still in dich gekehrt:
Sind wir noch es zu hören werth?
Nahm etwa der Erkenntniß Baum
Nicht dem des Lebens Licht und Raum?
Die Wahl schon einmal schwer sich wies,
Sie kostete das Paradies.


  Franz Grillparzer . 1791 - 1872






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