Gedichte.eu Impressum    

Gedichte, Lyrik, Poesie

Gedichte
162 Bücher



Franz Grillparzer
Gedichte . 1872



Nachruf

1.
An Zacharias Werner.

(1823.)

So bist du nicht mehr unter uns?
Bist hingegangen, Werner, abzulegen
Das unfreiwillig schaurige Profeß
Bei deinen grauen Mönchen vom Karmel,
Dem heil'gen Berg, du armer Sohn des Thals!
Was ist die Hora lang,
Der Guardian streng,
Und schrecklich der Posaunenschall des Fests!
Man sagt, daß, wer sich selbst geschaut im Leben,
Die eigene Gestalt, ansichtig, außer sich,
Daß der nicht leben könne fürder mehr,
Und müsse sterben in der nächsten Frist.
O unglücksel'ge Frucht der Selbstbeschauung,
Du hast dich auch geschaut und bist gestorben:
Denn das nicht, was er ist, nein was er thut,
Das soll der Mensch erkennen und erwägen,
Sonst ist er todt, sei's auch daß er noch athme!
Nicht auf sich selbst, die eigne Form und Unform,
Soll er die Augen heften, wenden seine Gluth,
Die Außenwelt ward ihm als lichte Braut,
Die mag er sich erfassen und umarmen,
Und Kinder zeugen, daß die Welt bestehe!
Der Gottheit Blitz auch auf der Geister Sodom! -

Du, Armer, hast die Ruhe nie gekannt,
Dein Streben nahm sie dir, und strebtest doch um Ruhe.
Da dir die Milch der Menschheit schmacklos war geworden,

Schien bald kein Reiz dir geistig scharf genug;
Dem Gleichgewicht entrückt durch eignes Schwanken,
Durchliefst du jeden Punkt des großen Hebels
Und suchtest nur den Ort, um fest zu stehn:
Umsonst! die Ruhe stellt sich ein, sobald man ruhig!
Im Sinnenrausch, im Rausch des innern Sinnes,
Ward er von dir gesucht und nicht gefunden,
Des geist'gen Archimed to do,
Der heut und gestern immer gleiche Punkt,
Der ew'ge Mittelpunkt. Schlaf' wohl, du Armer,
Nun hast du ihn! -


2.
An Nicolaus Lenau.

(1850.)

So bist du hingegangen, armer Mann,
Und bist im wüsten Irrenhaus erblichen,
Gehörend so im Ende denn auch an
Der Zeit, der du in deinem Lauf geglichen.
Bestimmt, ein blühend grüner Ast zu sein
An deines Vaterlandes Künstlerbaume,
Fandst du's zu eng in dem beengten Raume
Und, selbst als Baum zu gelten, lud's dich ein. -
Also entrückt der vaterländ'schen Erde,
Verpflanztest du, was so versprechend schien,
Hin, wo im Treibhaus am geheizten Herde
Und unter Glas sie bleiche Pflanzen ziehn.
Der Triebe Keim blieb deiner Heimath eigen,
Nur Laub und Holz es ward mit dir versetzt,
Ein wenig gohr der Saft noch in den Zweigen,
Dann starb er ab und du mit ihm zuletzt! -
Daß du ein Ehrenmann, hat dich getödtet,
Daß du kein Thor, war deines Wahnsinns Grund;
Wem Selbsterkenntniß noch die Stirne röthet,
Der straft sich Lügen selbst mit eignem Mund.
Vom Lob getragen und vom Ruhm beschienen,
Fandst du dich selbst zu arm für solchen Werth,
Und ehrlich, so viel Beifall zu verdienen,
Hast später Bildung du dich zugekehrt.
Mit österreich'scher alter Treue,
Um auszufüllen was dir noch zu weit,
Nahmst du die Thoren-Weisheit, alt und neue,
Rasch auf in deines Ruhmes schwellend Kleid.
Und weil dem Liebchen gerne nah' der Buhle,
Der Wind am stärksten da, woher er weht,
Begabst du dich in Schwabens Dichterschule,
Wo fern ein Meister seinen Schülern steht.
Dort in der alten Heimath alter Sparren
Zum Märchen schon gewordenen, von je,
Dem Vaterlande der Genies und Narren,
Weil fix, als beiden eigen, die Idee; -
Warst du von einem Männerkreis umgeben,
Die granweis, wie einst König Mithridat,
An Gift gewöhnt sich all ihr ganzes Leben,
So daß sie nun verdauen jeden Grad.
Du aber mit den unentweihten Kräften,
Der sein du wolltest, was für Jene Scherz,
Du trankst dir Tod in jenen Taumelsäften,
Was für den Kopf bestimmt, es traf dein Herz.
Da trat, was du geflohn in allen Tagen,
Die Wirklichkeit dich an, an Inhalt schwer,
Halb selbst sich Ueberheben, halb Verzagen,
Stand still die Uhr, der Zeiger wies nicht mehr, -
Und so sei dir ein Lebewohl gesprochen,
Ob That und Wollen sich gleich noch so weit,
Was dich zerbrach, hat Staaten schon zerbrochen:
Dich hob, dich trug und dich verdarb die Zeit.


  Franz Grillparzer . 1791 - 1872






Gedicht: Nachruf

Expressionisten
Dichter abc


Grillparzer
Gedichte

Intern
Fehler melden!

Internet
Literatur und Kultur
Autorenseiten
Internet





Partnerlinks: Internet


Gedichte.eu - copyright © 2008 - 2009, camo & pfeiffer

Nachruf, Franz Grillparzer