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Johann Wolfgang von Goethe
Gedichte . 1825



Idylle

(Es wird angenommen, ein ländliches Chor habe sich versammelt und stehe im Begriff, seinen Festzug anzutreten.)

    Chor.
Dem festlichen Tage
Begegnet mit Kränzen,
Verschlungenen Tänzen
Geselligen Freuden
Und Reihengesang.

    Damon.
Wie sehn' ich mich aus dem Gedränge fort!
Wie frommte mir ein wohlverborgner Ort!
In dem Gewühl, in dieser Menge
Wird mir die Flur, wird mir die Luft zu enge.

    Chor.
Nun ordnet die Züge,
Daß jeder sich füge
Und einer mit allen,
Zu wandeln, zu wallen
Die Fluren entlang.

(Es wird angenommen, das Chor entferne sich, der Gesang wird immer leiser, bis er zuletzt ganz, wie aus der Ferne, verhallet.)

    Damon.
Vergebens ruft, vergebens zieht ihr mich;
Es spricht mein Herz; allein es spricht mit sich.
Und soll ich beschauen
Gesegnetes Land,
Den Himmel den blauen,
Die grünenden Gauen,
So will ich allein
Im Stillen mich freu'n.
Da will ich verehren
Die Würde der Frauen,
Im Geiste sie schauen,
Im Geiste verehren;
Und Echo allein
Vertraute soll seyn.

    Chor
(aufs leiseste; wie aus der Ferne, mischt absatzweise in Damons Gesang die Worte:)
Und Echo - allein -
Vertraute - soll seyn. -

    Menalkas.
Wie find' ich Dich, mein Trauter, hier!
Du eilest nicht zu jenen Festgesellen?
Nun zaudre nicht und komm mir mir,
In Reih' und Glied auch uns zu stellen.

    Damon.
Willkommen, Freund! doch laß die Festlichkeit
Mich hier begehn, im Schatten alter Buchen;
Die Liebe sucht die Einsamkeit;
Auch die Verehrung darf sie suchen.

    Menalkas.
Du suchest einen falschen Ruhm
Und willst mir heute nicht gefallen.
Die Liebe sey dein Eigenthum;
Doch die Verehrung theilest du mit allen!

Wenn sich Tausende vereinen
Und des holden Tags Erscheinen
Mit Gesängen,
Freudeklängen
Herrlich feiern,
Dann erquickt sich Herz und Ohr;
Und wenn Tausende betheuern,
Die Gefühle sich erschließen
Und die Wünsche sich ergießen,
Reißt es kraftvoll dich empor.

(Es wird angenommen, das Chor kehre nach und nach aus der Ferne zurück.)

    Damon.
Lieblich hör' ich schon von weiten
Und es reizet mich die Menge;
Ja sie wallen, ja sie schreiten
Von dem Hügel in das Thal.

    Menalkas.
Laß uns eilen, fröhlich schreiten
Zu dem Rhythmus der Gesänge!
Ja sie kommen, sie bereiten
Sich des Waldes grünen Saal.

    Chor
(allmählig wachsend.)
Ja wir kommen, wir begleiten
Mit dem Wohlklang der Gesänge
Fröhlich im Verlauf der Zeiten
Diesen einzig schönen Tag.

    Alle.
Worauf wir zielen,
Was alle fühlen
Verschweigt, verschweiget!
Nur Freude zeiget!
Denn die vermags;
Ihr wird es glücken,
Und ihr Entzücken
Enthält die Würde,
Enthält den Segen
Des Wonne-Tags!


  Johann Wolfgang von Goethe . 1749 - 1832






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