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Johann Wolfgang von Goethe
Gedichte . 1825



Epilog zu Schillers Glocke

        Freude dieser Stadt bedeute,
        Friede sey ihr erst Geläute!


Und so geschah's! Dem friedenreichen Klange
Bewegt' sich neu das Land und segenbar.
Ein frisches Glück erschien; im Hochgesange
Begrüßten wir das junge Fürstenpaar;
Im Vollgewühl, im lebensregen Drange
Vermischte sich die thät'ge Völkerschaar,
Und festlich ward an die geschmückten Stufen
Die Huldigung der Künste vorgerufen.

Da hör' ich schreckhaft mitternächt'ges Läuten,
Das dumpf und schwer die Trauertöne schwellt.
Ist's möglich? soll es unsern Freund bedeuten?
An dem sich jeder Wunsch geklammert hält.
Den Lebenswürd'gen soll der Tod erbeuten?
Ach! wie verwirrt solch ein Verlust die Welt!
Ach! was zerstört ein solcher Riß den Seinen!
Nun weint die Welt, und sollten wir nicht weinen?

Denn er war unser! Wie bequem, gesellig
Den hohen Mann der gute Tag gezeigt,
Wie bald sein Ernst, anschließend, wohlgefällig,
Zur Wechselrede heiter sich geneigt,
Bald raschgewandt, geistreich und sicherstellig,
Der Lebensplane tiefen Sinn erzeugt,
Und fruchtbar sich in Rath und That ergossen,
Das haben wir erfahren und genossen.

Denn er war unser! Mag das stolze Wort
Den lauten Schmerz gewaltig übertönen!
Er mochte sich bei uns, im sichern Port,
Nach wildem Sturm, zum Dauernden gewöhnen.
Indessen schritt sein Geist gewaltig fort
Ins Ewige des Wahren, Guten, Schönen,
Und hinter ihm, in wesenlosem Scheine,
Lag, was uns alle bändigt, das Gemeine.

Da schmückt' er sich die schöne Gartenzinne,
Von wannen er der Sterne Wort vernahm,
Das dem gleich ew'gen, gleich lebend'gen Sinne
Geheimnißvoll und klar entgegen kam.
Dort, sich und uns zu köstlichem Gewinne,
Verwechselt' er die Zeiten wundersam.
Nun sank der Mond, und zu erneuter Wonne,
Vom klaren Berg herüber schien die Sonne.

Nun glühte seine Wange roth und röther
Von jener Jugend, die uns nie verfliegt,
Von jenem Muth, der früher oder später
Den Widerstand der stumpfen Welt besiegt,
Von jenem Glauben, der sich stets erhöhter,
Bald kühn hervor drängt, bald geduldig schmiegt,
Damit das Gute wirke, wachse, fromme,
Damit der Tag dem Edlen endlich komme.

Doch hat er, so geübt, so vollgehaltig
Dieß breterne Gerüste nicht verschmäht;
Hier schildert' er das Schicksal, das gewaltig
Von Tag zu Nacht die Erdenachse dreht,
Und manches tiefe Werk hat, reich gestaltig,
Den Werth der Kunst, des Künstlers Werth erhöht.
Er wendete die Blüthe höchsten Strebens,
Das Leben selbst an dieses Bild des Lebens.

So kennt ihr ihn, wie er mit Riesenschritte
Den Kreis des Wollens, des Vollbringens maß,
Durch Zeit und Land, der Völker Sinn und Sitte,
Das dunkle Buch mit heitrem Blicke las.
Doch, wie er athemlos, in unsrer Mitte,
In Leiden bangte, kümmerlich genas,
Das haben wir, in traurig schönen Jahren,
Denn er war unser, leidend miterfahren.

Ihn, wenn er vom zerrüttenden Gewühle
Des bittern Schmerzens wieder aufgeblickt,
Ihn haben wir dem lästigen Gefühle
Der Gegenwart, der stockenden, entrückt,
Mit guter Kunst und ausgesuchtem Spiele
Den neubelebten, edeln Sinn erquickt,
Und noch am Abend vor den letzten Sonnen
Ein holdes Lächeln glücklich abgewonnen.

Er hatte früh das strenge Wort gelesen,
Dem Leiden war er, war dem Tod vertraut.
So schied er nun, wie er so oft genesen,
Nun schreckt uns das, wofür uns längst gegraut.
Doch jetzt empfindet sein verklärtes Wesen
Nur Einen Wunsch, wenn es hernieder schaut.
O möge doch den heil'gen, letzten Willen
Das Vaterland vernehmen und erfüllen!


  Johann Wolfgang von Goethe . 1749 - 1832






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