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Adelbert von Chamisso
Gedichte . 1836



Die Jungfrau von Stubbenkammer

Volkssage.

Ich trank in schnellen Zügen
    Das Leben und den Tod
Bei'm Königsstuhl auf Rügen
    Am Strand im Morgenroth.

Ich kam am frühen Tage
    Nachsinnend einsam her,
Und lauscht' dem Wellenschlage,
    Und schaute über's Meer.

Wie schweifend aus der Weite
    Mein Blick sich wieder neigt,
Da hat sich mir zur Seite
    Ein Feenweib gezeigt.

An Schönheit sondergleichen,
    Wie nimmer Augen sah'n,
Mit gold'ner Kron' und reichen
    Gewändern angethan.

Sie kniet' auf Felsensteinen,
    Umbrandet von der Fluth,
Und wusch, mit vielem Weinen,
    Ein Tuch befleckt mit Blut.

Umsonst war ihr Beginnen,
    Sie wusch und wusch mit Fleiß,
Der böse Fleck im Linnen
    Erschien doch nimmer weiß.

Da sah sie unter Thränen
    Mich an, und bittend fast;
Da hat ein heißes Sehnen
    Mich namenlos erfaßt.

"Gegrüßet mir; du blendend,
    Du wundersames Bild! - -"
Sie aber, ab sich wendend,
    Sprach schluchzend aber mild:

"Ich weine trüb' und trüber
    Die Augen mir und blind;
Gar Viele zieh'n vorüber,
    Und nicht ein Sonntagskind.

Nach langem, bangem Hoffen
    Erreichst auch du den Ort -
O hättest du getroffen
    Zum Gruß das rechte Wort!

Hätt'st du Gott helf'! gesprochen,
     Ich war erlöst und dein,
Die Hoffnung ist gebrochen,
     Es muß geschieden sein!" -

Da stand sie auf zu gehen,
    Das Tuch in ihrer Hand,
Und, wo die Pfeiler stehen,
    Versank sie und verschwand.

Ich trank in schnellen Zügen
    Das Leben und den Tod
Bei'm Königsstuhl auf Rügen
    Am Strand im Morgenroth.


  Adelbert von Chamisso . 1781 - 1838






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