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Gottfried August Bürger 
 
Gedichte
. 1789 
 
 
 
Winterlied 
Der Winter hat mit kalter Hand 
Die Pappel abgelaubt, 
Und hat das grüne Maygewand 
Der armen Flur geraubt; 
Hat Blümchen, blau und roth und weiß, 
Begraben unter Schnee und Eis. 
 
Doch, liebe Blümchen, hoffet nicht 
Von mir ein Sterbelied. 
Ich weiß ein holdes Angesicht, 
Worauf ihr alle blüht. 
Blau ist des Augensternes Rund, 
Die Stirne weiß, und roth der Mund. 
 
Was kümmert mich die Nachtigall, 
Im aufgeblühten Hain? 
Mein Liebchen trillert hundertmal 
So süß und silberrein; 
Ihr Athem ist, wie Frühlingsluft, 
Erfüllt mit Hyazinthenduft. 
 
Voll für den Mund, und würzereich, 
Und allerfrischend ist, 
Der purpurrothen Erdbeer' gleich, 
Der Kuß, den sie mir küßt. - 
O May, was frag' ich viel nach dir? 
Der Frühling lebt und webt in ihr.
 
 
 
 
Gottfried
August Bürger . 1747 - 1794 
 
 
  
 
 
 
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