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Gottfried August Bürger 
 
Gedichte
. 1789 
 
 
 
Herr Bacchus 
Herr Bacchus ist ein braver Mann, 
Das kann ich euch versichern; 
Mehr, als Apoll, der Leyermann, 
Mit seinen Notenbüchern. 
 
Des Armen ganzer Reichthum ist 
Der Klingklang seiner Leyer, 
Von der er prahlet, wie ihr wißt, 
Sie sey entsetzlich theuer. 
 
Doch borgt ihm auf sein Instrument 
Kein Kluger einen Heller. 
Denn frohere Musik ertönt 
Aus Vater Evans Keller. 
 
Obgleich Apollo sich voran 
Mit seiner Dichtkunst blähet: 
So ist doch Bacchus auch ein Mann, 
Der seinen Vers verstehet. 
 
Wie mag am waldigen Parnaß 
Wohl sein Diskant gefallen? 
Hier sollte Bacchus Kantorbaß 
Fürwahr weit besser schallen. 
 
Auf, laßt uns ihn für den Apoll 
Zum Dichtergott erbitten! 
Denn er ist gar vortreflich wohl 
Bey großen Herrn gelitten. 
 
Apoll muß tief gebückt und krumm 
In Fürstensäle schleichen; 
Allein mit Bacchus gehn sie um, 
Als wie mit ihres Gleichen. 
 
Dann wollen wir auf den Parnaß, 
Vor allen andern Dingen, 
Das große Heidelberger Faß 
Voll Nierensteiner bringen. 
 
Statt Lorbeerbäume wollen wir 
Dort Rebenstöcke pflanzen, 
Und rings um volle Tonnen, schier 
Wie die Bacchanten tanzen. 
 
Man lebte so nach altem Brauch 
Bisher dort allzunüchtern. 
D'rum blieben die neun Jungfern auch 
Von je und je so schüchtern. 
 
Ha! zapften sie sich ihren Trank 
Aus Bacchus Nektartonnen, 
Sie jagten Blödigkeit und Zwang 
Ins Kloster zu den Nonnen. 
 
Fürwahr! sie ließen nicht mit Müh' 
Zur kleinsten Gunst sich zwingen, 
Und ungerufen würden sie 
Uns in die Arme springen.
 
 
 
 
Gottfried
August Bürger . 1747 - 1794 
 
 
  
 
 
 
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