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Gottfried August Bürger 
 
Gedichte
. 1789 
 
 
 
An Agathe 
Nach einem Gespräche über ihre
irdischen Leiden und Aussichten in die Ewigkeit. 
 
Mit dem naßgeweinten Schleyer 
Lösch' ich meine Thränen aus; 
Und mein Auge schauet freyer 
Ueber Zeit und Grab hinaus. 
 
Geist erhabner Prophezeyung, 
Gottes Geist erleuchtet mich! 
Lebensodem zur Erneuung 
Weht gewiß auch über mich. 
 
Jedes Drangsal dieses Lebens, 
So dein weiches Herz gedrückt, 
Zeuget, daß ich nicht vergebens 
Oft nach Trost hinaus geblickt. 
 
Nein! Nicht schwelgendem Gewürme 
Ewig überlaßner Raub 
Noch ein Spiel der Erdenstürme 
Bleibet guter Herzen Staub. 
 
Nein! In diese Wüsteneyen 
Sind wir ewig nicht gebannt. 
Keine Zähre darf uns reuen; 
Denn sie fiel in Gottes Hand. 
 
Was auf diese dürren Auen 
Von der Unschuld Thränen fällt, 
Wird gesammelt, zu bethauen 
Die Gefilde jener Welt; 
 
Die Gefilde, wo vom Schnitter 
Nie der Schweiß der Mühe rann, 
Deren Aether kein Gewitter 
Und kein Nebel trüben kann. 
 
Seufzer, deines Grames Zeugen, 
Werden auf gen Himmel gehn, 
Werden einst von Palmenzweigen 
Kühlung dir herunter wehn. 
 
Von dem Schweiße deiner Mühen, 
Der hier Undankbaren quillt, 
Werden dort einst Blumen blühen, 
Wie sie hier kein Lenz enthüllt. 
 
Wann Verfolgung ihren Köcher 
Endlich auf dich ausgeleert; 
Wann dein Gold sich, vor dem Schwächer 
Seines Glanzes, rein bewährt; 
 
Und, zur Erntezeit der Saaten, 
Da das Korn geworfelt wird, 
Ausgestreuter Edelthaten 
Reine Frucht im Siebe schwirrt. - 
 
Heil der schönsten schöner Stunden, 
Die sich um dein Leben drehn, 
Welche dich, vom Zwang' entbunden, 
Zu der Freyheit wird erhöhn! - 
 
Zeuch mich dir, geliebte Fromme, 
An der Liebe Banden nach! 
Daß auch ich zu Engeln komme, 
Zeuch, du Engel, dir mich nach! 
 
Mich begleite jede Wahrheit, 
Die du schmeichelnd mir vermählt, 
Zu dem Urquell aller Klarheit, 
Wo kein Reiz sich mehr verhehlt!
 
 
 
 
Gottfried
August Bürger . 1747 - 1794 
 
 
  
 
 
 
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