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Gottfried August Bürger 
 
Gedichte
. 1789 
 
 
 
Frau Schnips 
Ein Mährlein halb lustig, halb
ernsthaft, samt angehängter Apologie. 
 
Frau Schnipsen hatte Korn im Stroh, 
Und hielt sich weidlich lecker; 
Sie lebt' in dulci Jubilo, 
Und Keine war euch kecker. 
 
Das Mäulchen, samt dem Zünglein flink, 
Saß ihr am rechten Flecken. 
Sie schimpfte wie ein Rohrsperling, 
Wenn man sie wollte necken. 
 
Da kam Hans Mors, und zog den Strich 
Durch ihr Schlaraffenleben. 
Zwar belferte sie jämmerlich; 
Doch mußte sie sich geben. 
 
Sie klaffte fort, den Weg hinan, 
Bis vor die Himmelspforte, 
Gekränkt, daß sie nicht Zeit gewann, 
Zur letzten Mandeltorte. 
 
Weil nun der letzte Aerger ihr 
Noch spukt' im Tabernakel, 
So trieb sie vor der Himmelsthür 
Viel Unfug und Spectakel. 
 
"Wer da, rief Adam unmuthsvoll, 
Stört so die Ruh der Frommen?" - 
"Ich bins! Frau Schnips! Ich wünschte wohl 
Bey Euch mit anzukommen." - 
 
"Du?- Nicht allso, Frau Sünderinn! 
Frau Liederlich! Frau Lecker!"- 
"Ich weiß wohl selber, was ich bin, 
Du alter Sündenhecker! 
 
Ey, zupfte sich Herr Erdenkloß 
Doch nur an eigner Nase! 
Denn was man ist, das ist man bloß 
Von seinem Apfelfraße. 
 
So gut wie Er, denk' ich zur Ruh 
Noch Platz hier zu gewinnen."- 
Der Vater hielt die Ohren zu 
Und trollte sich von hinnen. 
 
D'rauf machte Jacob sich ans Thor: 
"Marsch! Packe dich zum Teufel!" - 
"Was? schrie Frau Schnips ihm laut ins Ohr, 
Fickfacker! Ich zum Teufel? 
 
Du bist mir wohl der rechte Held, 
Und bist wohl hier für's Prellen? 
Hast Bruder und Papa geprellt, 
Mit deinen Ziegenfellen." - 
 
Stockmäuschenstill trieb ihr Geschrey 
Hinweg den Patriarchen. 
Hierauf sprang Ehren-Loth herbey, 
Mit Brausen und mit Schnarchen. 
 
"Du auch, du alter Saufaus hast, 
Groß Recht hier zum Geprahle! 
Bist wahrlich nicht der feinste Gast 
In diesem Himmelssaale! 
 
Bezecht sich erst beym Abendbrot, 
Den Kindern zum Gelächter, 
Und dann beschläft Er- pfui, Herr Loth! - 
Gar seine eignen Töchter!"- 
 
Ha puh! Wie stank der alte Mist!- 
Loth mußte sich bequemen, 
Als hätt' er in das Bett' gepißt, 
Voll Schaam Reißaus zu nehmen. 
 
"Na! - lief Relicte Judith hin, 
Welch Lärm hier und Gebrause!"- 
"Bonsdies! Frau Gurgelschneiderinn! 
Sie ist hier auch zu Hause?"- 
 
Vor großer Schaam bald bleich bald roth, 
Stand Judith bey dem Gruße. 
Der König David sah die Noth, 
Und folgt' ihr auf dem Fuße. 
 
"Was für Halloh, du Teufelsweib? 
Potz hunderttausend Velten!"- 
"Ey, Herr, wär' ich Uriah's Weib, 
Ihr würdet so nicht schelten. 
 
Es war, mein Seel! wohl mehr Halloh, 
Mit Bathseba zu liebeln, 
Und ihren armen Hahnreih so 
Zur Welt hinaus zu bübeln."- 
 
"Das Weib ist toll, rief Salomo, 
Hat zu viel Schnaps genommen! 
Was? Seiner Majestät allso - - - 
So - hundsvöttsch anzukommen?"- 
 
"O Herr, nicht halb so toll, als Er! 
Hätt' er sein Maul gehalten! 
Wir wissen's noch recht gut, wie Er 
Auf Erden Haus gehalten. 
 
Sieb'n hundert Weiber auf der Streu, 
Und extra doch darneben 
Drey hundert- -Andre! Meiner Treu! 
Das war ein züchtig Leben! 
 
Und Sein Verstand war klimperklein, 
Als Er von Gott sich wandte, 
Und Götzen pur von Holz und Stein, 
Sein thöricht Opfer brannte."- 
 
"Fürwahr, empörte Jonas sich, 
Das Weib speyt, wie ein Drache!"- 
"Halt's Maul, Ausreißer! Kümmre dich 
Um Deine faule Sache!"- 
 
Auch Thom's gab seinen Senf dazu: 
"Ein Sprüchwort, das ich glaube, 
Sagt: Weiberzung' hat nimmer Ruh; 
Sie ist von Espenlaube."- 
 
"Glaub' immer was ein Narr erdacht, 
Mit allen dummen Teufeln! 
Doch konnt' an seines Heilands Macht 
Der schwache Pinsel zweifeln."- 
 
Maria Magdalena kam.- 
Nu ja! Die wird's erst kriegen!- 
"Still, gute Frau, fein still und zahm! 
Ihr müßt Euch anders fügen. 
 
Denn, gute Frau, erinnert Euch 
An Eu'r verruchtes Leben! 
So Einer wird im Himmelreich 
Kein Plätzchen eingegeben."- 
 
"So Einer? schrie Frau Schnips, ey schaut! 
Was bin ich denn für Eine? 
Sie war mir auch das rechte Kraut! 
Nun brennt Sie gar sich reine? 
 
Ach! Um die Tugend Ihrer Zeit 
Ist Sie nicht hergekommen. 
Des Heilands Allbarmherzigkeit 
Hat Sie hier aufgenommen. 
 
Durch diese Allbarmherzigkeit, 
Sie wird's nicht übel deuten, 
Hoff' ich, trotz meiner Sündlichkeit, 
Auch noch hineinzuschreiten."- 
 
Jetzt sprang Apostel Paul empor: 
"Mit deinen alten Sünden. 
Weib, wirst du durch das Himmelsthor 
Den Eingang nimmer finden!"- 
 
"Die lass' ich draußen!- Denke, Paul, 
Wie dir's vor Zeiten glückte; 
Dir, der doch so mit Mord, als Saul, 
Die Kirche Gottes drückte!"- 
 
Sanct Peter kam nun auch zum Spiel: 
"Die Thür nicht eingeschlagen! 
Madam, Sie lärmt auch allzuviel; 
Wer kann das hier vertragen?"- 
 
"Geduld, Herr Pförtner! sagte sie; 
Noch bin ich unverlohren! 
Hab' ich doch meinen Heiland nie, 
Wie Du einst, abgeschworen."- 
 
Und unser lieber Herr vernahm 
Der Seele letzte Worte. 
Umringt von tausend Engeln kam 
Er herrlich an die Pforte. 
 
"Erbarmen! Ach, Erbarmen!" schrie 
Die arme bange Seele.- 
"O Seele, du gehorchtest nie 
Dem göttlichen Befehle. 
 
Ich lockte dich an meine Brust: 
Zur Sünde gingst du über. 
Die Welt mit ihrer eiteln Lust 
War, Thörinn, dir viel lieber."- 
 
"Oh! Ich bekenn' es, Herr, ich schwamm 
Im Lustpfuhl dieser Erde; 
Doch bringe du dein irrend Lamm 
Zurück zu deiner Heerde! 
 
Ich will, o lieber Hirt, hinfort 
Mein Irrsal stets bereuen. 
Half doch sein letztes armes Wort 
Dem Schächer zum Gedeihen."- 
 
"Du wußtest, Weib, was ich gethan; 
Du kanntest meinen Willen: 
Allein, was hast du je gethan, 
Ihn dankbar zu erfüllen? 
 
"Ach nichts! Doch, lieber Menschensohn, 
Heiß mich darum nicht fliehen! 
Es hat ja dem verlohrnen Sohn 
Sein Vater auch verziehen."- 
 
"Nun wohl, Verirrte, tritt herzu! 
Will dich mit Gnade zeichnen. 
Auch du bist mein! Geh ein zur Ruh! 
Ich will dich nicht verleugnen."
 
 
 
 
Gottfried
August Bürger . 1747 - 1794 
 
 
  
 
 
 
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