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Gedichte, Lyrik, Poesie

Aus der Heimat und Fremde
162 Bücher



Friedrich von Bodenstedt
Aus der Heimat und Fremde . 1856/1859



An die Gräfin Sauerma

(Rosalie Spohr)
zum Dank für eine anmuthige Ueberraschung.


Ich lag in dumpfem Brüten,
Unfroh zu allen Dingen -
Gehirn und Wangen glühten,
Als wollten sie zerspringen;
Trüb lag ich so und wachte,
(Es war kein Welt- und Wahnschmerz,
Was mich so traurig machte:
Es war sehr arger Zahnschmerz!)
Da, horch! klingt's aus der Nähe
In wunderbarer Weise...
Ich springe auf, ich spähe,
Oeffne die Thür, ganz leise -
Und wie bezaubert steh' ich:
Im Lichtglanz eines holden
Fraunbildes Antlitz seh' ich
Vor einer Harfe golden...
Den weißen Shawl geschlungen
Vom Nacken bis zur Hüfte,
Den weißen Arm geschwungen
Leicht wie ein Spiel der Lüfte,
Das Füßchen am Pedale,
Das dunkle Aug' erhoben,
Als zöge sein Gestrahle
Begeisterung von oben:
So wühlst Du in den Tönen,
Begeistert und begeisternd,
Durch Allgewalt des Schönen
Mein müdes Herz bemeisternd.
Die kleinen Hände gleiten
Die Saiten auf und nieder,
Und locken aus den Saiten
So seelenvolle Lieder,
Als ob die Harfe lebte
Und fühlte sich geschmeichelt,
Und wonneschauernd bebte
Von Deiner Hand gestreichelt.
So flüstert's unter Rosen
In warmer Nacht, verstohlen -
Ein wildes, heimlich Kosen,
Tieflautes Athemholen...

Da zaubernd rührt die Hand sich:
Ich höre Volksgewimmel,
Weit, unabsehbar spannt sich
Der blaue Wüstenhimmel -
Ich seh' den Dornbusch lohen,
Höre Jehovah sprechen,
Egyptens Volk bedrohen,
Um Israel zu rächen;
Ich seh' ihn in der Wolke
Zum Sinai sich schwingen,
Seh' Moses seinem Volke
Des Herrn Gebote bringen.
Und Juda's sündige Rotte
Schaut zitternd den Propheten,
Sie ließ vom wahren Gotte,
Zum goldenen Kalb zu beten.
Bei seinem zornigen Grimme
Das störrische Volk fühlt Reue -
Flehend hebt er die Stimme,
Und Gott verzeiht auf's Neue.

So läßt Du's tongewaltig
Klingen aus Deinen Saiten,
Daß Bilder vielgestaltig
An mir vorübergleiten,
Erstorbenes belebend,
Vergangenes erneuend,
Den Geist zu Gott erhebend,
Das bange Herz erfreuend.
Vor meinem Geist wird's helle,
Als ob mich Licht erfüllte,
Sich die geheimste Quelle
Der Schöpfung mir enthüllte -
Als ob vor mir der Zeiten,
Des Raumes Bann verschwände
Beim Klange Deiner Saiten,
Beim Spiele Deiner Hände!


  Friedrich von Bodenstedt . 1819 - 1892






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