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Extramundana
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Carl Spitteler
Extramundana . 2. Auflage 1905



Thema

In den Zeiten, als der Weltraum jung war
Und die Jahre keck und rosenwangig
Spielten Kreisel in den Glockenthürmen,
War durch keinen Graben noch geschieden
Von der Himmelsstadt die Weltenlandschaft
Und die Brücke hin und her vernichtet;
Frei lustwandelten die Himmelsbürger
Vor den Thoren in den dunklen Wäldern,
Welche, noch verschont vom Fluch des Lebens,
Still und einsam standen und vertraulich,
Eine Wohnstatt allen Liebespaaren.

Aber jedes Jahr am ersten Maitag,
Wenn das ganze Volk mit Weib und Kindern
War versammelt auf den grünen Hügeln,
Nahm der Bürgermeister das Gesetzbuch
Und verlas mit lauter fester Stimme
Allem Volk die peinliche Verordnung:
"Kund zu machen Jeglichem zur Warnung:
"Wer mit Zauber und geheimer Schwarzkunst,
"Sei's aus Steinen oder saftgen Kräutern,
"Liefert oder auch nur zubereitet
"Lebenssalben oder Lebenströpflein:
"Diesen werden wir am Galgen hängen,
"Hoch am Himmel überm höchsten Thurme,
"Drehbar, einem Jeden zum Exempel.
"Und die Helfer und die Helfershelfer
"Je nach eines Jeglichen Verschulden
"Werden wir ertränken auf dem Markte
"Oder streng verbannen in den Urwald.
"Dieses lasse Jeder sich gesagt sein,
"Aber ins Besondere die Aerzte
"Und die Bader und die Wunderdoctorn."

Und das Volk mit ehrfurchtvollem Schweigen
Hörte schaudernd die gestrenge Botschaft;
Mocht' auch keiner sich der That getrauen;
Bis zur schlimmen Zeit am bösen Tage
Weibergeiz und Männer-Neid und -Rachsucht
All den grünen Frieden jäh zerstörte,
Und verloren ging die schöne Landschaft.

Wie sich's zutrug, will ich jetzt erzählen.


  Carl Spitteler . 1845 - 1924






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