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Gedichte, Lyrik, Poesie

Blätter im Wind
162 Bücher



Heinrich Seidel
Blätter im Wind . (vermutlich) 2. Auflage 1882



In der Sommerabendsonne

1.

An dem schönen Sommerabend
Saßen wir auf jenem Hügel,
Schauten in den goldnen Westen.
Breithin streckte sich die dunkle
Wolkenbank, darin die Sonne
Nun versunken - nur die Ränder
Glühten noch in goldnem Scheine.
Doch im blauen Himmel drüber
Schwebten rosig weiße Wolken
Angestrahlt von hellem Glanze.
Welch' ein Wunder sah ich droben:
Auf den Wolkenbänken saßen
Ros'ge Engel reihenweise -
Andre lauschten aus den Wolken,
Andre schwebten hin und wieder,
Spielten hier mit Wolkenflocken,
Ritten dort auf einem Wölkchen -
Und es war ein stillbewegtes
Schimmernd rosiges Getümmel.
"Sieh, wie herrlich!" sprach ich leuchtend
Freudevoll zu dem Gefährten.
Dieser nickte nur; wir schauten
Still in's Zauberspiel der Wolken:
Wie die Engel nun verschwebten,
Lauschten noch mit ros'gen Köpfen
Ueber Wolken und verschwanden.
Und der Rosenschein verblaßte,
Bis im bläulichen Gedämmer
Nur ein träumend Roth noch ruhte,
Und der Abend still sich senkte.


2.

Auf der schönen grünen Wiese
Tiefe warme Schatten werfend
Liegt der stille, goldgetränkte
Letzte Abendsonnenschimmer.
Lerchenklang in hohen Lüften,
Und der Wind schläft in den Zweigen, -
Kaum erzittert leis ein Grashalm.
Dort am Ufer auf der Weide
Grauem Stamm, der hingebogen
Sich im dunklen Weiher spiegelt,
Weißgekleidet sitzt ein Mädchen.
Goldne aufgelöste Haarfluth
Wallet um das ros'ge Antlitz,
Wie sie nieder in das klare
Spiegelhelle Wasser blicket.
Und sie grüßt ihr Spiegelabbild,
Nickt und lächelt, und da drunten
Nickt und lächelt hold es wieder.
Und ein Strauch von wilden Rosen,
Der mit hundert schönen Blüthen
Neben ihr im Grund sich spiegelt,
Schaut mit all den Rosenaugen
Aus dem Spiegel ihr entgegen.
Goldne Haarfluth - ros'ge Wangen -
Grün Gezweige - rothe Rosen.
Und das Mädchen neigt ein Zweiglein,
Neigt es hin an ihre Lippen,
Und sie küßt die rothe Rose,
Schaut's im Spiegel und erröthet.
Doch ein Blatt, gelöst vom Kusse
Flattert auf das Wasser nieder,
Trübt das Bild mit leisen Ringen.
Mägdlein schaut in das Gezitter
Bis das Bild sich wieder kläret,
Und sie küßt die Rose wieder,
Sinnt und schauet in die Ferne.
Dämmernd sinket nun der Abend -
Singend steigt sie, die den letzten
Späten Abendstrahl getrunken,
Singend steigt die Lerche nieder.
Und das Mädchen still und sinnend
Wandelt durch die grüne Wiese
Bis das weiße Kleid im Dunkel
Jener Gartenbäume schwindet,
Draus das Landhaus hell hervorschaut.


  Heinrich Seidel . 1842 - 1906






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