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Gedichte, Lyrik, Poesie

Neue Garben
162 Bücher



Hugo Salus
Neue Garben . 1. Auflage 1904



Vorfrühling der Ehe

Vom Bahnhof holt sie mich in einem Wagen,
Der einer Arche gleicht; schon aus dem Zuge
Seh' ich mit Lächeln vor dem Bahnhoftore
Den Kasten stehn und rings des Dorfes Jugend.
Vom Bock winkt sie mir stürmisch Willkomm zu.
Sie ist ganz Landkind, Bauernmädel, Heimat
Und schaut mich unterm breiten Strohhut an,
Wie meine Kindertage auf dem Lande,
Wie meine Heimat, munter, frisch und blühend.

Nun sitzen wir im Wagen, ach, der ächzt
Und wundert sich, daß wir so eng uns drängen,
Da doch zwei Reifrockdamen ihn nicht füllten!
Und mein Geliebtes ist so schlank und rosig,
So gar nicht würdevoll und doch so würdig,
Daß ich nur immerfort auf ihre Hände
Die Lippen neigen möchte: "Süßes Leben!"
Nun fahren wir. Die Pferde meinen's gnädig
Und eilen nicht. Mir ist ein jeder Baum
In der Allee zum Dorfe, jedes Feld,
Ein jeder Vogel, jeder Schmetterling
Ein neues Wunder. "Sag, ist das hier Gerste?" -
Sie lacht mich aus: "Nein, goldner Rumpelsamen!" -
"Schau, diese roten Blumen!" - "Sind das Blumen?"
- Lacht sie mich an - "ist solches Unkraut Blumen?
Das nennt der Dichter Blumen! Ach, ich wette,
Du kennst die Nachtigall nicht von der Lerche!" -
- "O süße Julia!" - Da bebt ihr Mund,
Da wird sie still und rot, rückt von mir fort;
Wer weiß denn, welch ein Traum als Romeo
Sich jetzt auf ihrer Seele Brüstung schwingt!
So schweig' auch ich. Dann: "War dir bang nach mir?"
Sie drauf: "Ich hab' dich lieb." An meiner Schulter
Ruht sanft ihr Köpfchen, bis der gute Wagen,
Ein Kuppler, ihren Mund an meinen legt.
Wen ärgert das? Im nahen Dorf die Hunde!
Ein solcher Neidling fängt zu heulen an
Und rennt wie toll vom Dorf her uns entgegen,
Schaut in den Wagen, bellt uns zu: "Hört auf!"
Dann wirft er sich herum, er schießt zurück
Und bellt die Hundeschaft im Dorf zusammen.
Ein ganzer Rudel Köter sammelt sich
Und fragt ihn aus. - "Los auf die zwei Verliebten!"

Von allen Seiten bellt's uns an. Den Pferden
Wirft sich ein närrisch Köterpaar entgegen,
Kurzbeinige Dackel fliegen in die Höh'
Und schleudern uns ein "Schämt euch!" in den Wagen.
Ein Jagdhund streckt den Hals und ärgert sich,
Zwei Bullenbeißer sind vor Wut verrückt
Und fletschen Mäuler, nicht zu glauben häßlich,
Ein Rattlerbastard weint fast vor Erregung,
Und wenn sie mich gehörig ausgezankt,
Dann wirbeln sie hinüber zu der Liebsten
Und sind nicht artiger mit ihr. Sie lacht:
"Nun weißt du nicht, wie du die Meute los wirst?"
Ich drohe: "Kuscht euch!" - Neues Wutgeheule.
Da sagt mein Schatz: "So wirst du sie nicht scheuchen!
Ich kenn' die Meute besser. Schau, die Hunde
Sind nur begierig, wer du bist. Ihr Hunde,
Das ist mein Liebster, wißt ihr! Geht, seid artig,
Ich weiß, ihr seid nicht bös, ich kenn' euch ja!"
Und, wie der heilige Antonius zu den Fischen,
Neigt sie sich zu den Hunden, die ihr lauschen:
"Das ist mein Liebster. Wo er herkommt, fragt ihr?
Aus einer großen Stadt! Und hat doch mich,
Mich Dorfkind, auserwählt! Wohin wir fahren?
Nein, seid ihr neugierig!! Auf unsern Hof;
Dort wird die Hochzeit sein. Nun wißt ihr alles!" -
Die Hunde nicken ernst. Sie bellen Beifall:
Dann ist's schon recht! - Sie laufen wohl noch mit,
Doch schon mit mir versöhnt; sie springen noch
Ein letztesmal zu ihr empor - dann kehren
Sie ruhig um und trotten heim ins Dorf.

Ich weiß nicht, wie mir ist; so wie im Märchen:
Die schlimmen Zwerge, die uns Böses wollten,
Sind durch Prinzessin Bildhübsch umgestimmt
Und trollen heim; doch vor uns in der Sonne
Liegt hell der Weg in ein beglücktes Leben ...


  Hugo Salus . 1866 - 1929






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Vorfrühling der Ehe, Hugo Salus