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Neue Garben
162 Bücher



Hugo Salus
Neue Garben . 1. Auflage 1904



Der ewige Fluch

Weh meinen Versen, die segnen sollten
Und fluchen müssen,
Die von innigen Küssen,
Von Liebe und Seligkeit klingen wollten,
Die jubeln und jauchzen und preisen möchten
Und Rosen um deine weiße Stirne flechten,
Und die nun hassen und ächzen
Und nach Rache lechzen,
Und die doch wissen,
Daß selbst ihre Flüche deiner Schönheit noch huldigen müssen.

Weh, daß ich dich treffen mußte,
Du deiner Schönheit bewußte,
Du, deiner Glieder und deines Ganges Künstlerin!
Was ich all mein Leben lang
An Zärtlichkeit im Busen trug,
Was aus dem Knabenherzen bang
Die ersten, irren Funken schlug,
Der Jünglingsliebe süßen Trug,
Der tollen Lust Sirenensang,
Alle Sehnsucht, alle Zärtlichkeit wecktest du,
Du Buhlerin du, kaltlockende Buhlerin,
Und darum fluche ich dir,
Darum bin ich so außer mir,
Weil du mit deiner sündigen Schönheit Macht
Mich so weit gebracht,
Daß ich, mein Leben lang in der Schönheit Bann,
Der Schönheit fluchen kann!

Und dies ist mein Fluch:
In deiner Siege, deiner Triumphe Zug
Hast du noch lang' nicht Opfer genug!
Und hast du Hundert mit deinem falsch gewährenden Blick
Um ihr bißchen Glück betrogen,
So hat er noch lang' nicht genug gelogen,
Und Tausend, Tausend müssen noch ihre Seligkeit lassen,
Müssen dir ihr Leben und ihre Seele geben,
Damit mein Fluch unendlich werde, wie mein Hassen!

Und dies ist mein Fluch:
Wenn einst deine Stunde schlug,
Und Charons Boot dich über den finstern Orkus trug,
Dann soll dein Gang zu Plutons Palast ewig sein, wie deine Pein.
Dann sollst du allein den endlosen Weg zum Hades
Und niemand soll dich geleiten. [schreiten
Aber zu beiden Seiten deines Weges sollst du deine Betörten sehn
Wie gräßliche Säulen stehn
Mit geschlossenen Lidern,
Und wenn du nahst, sollen sie sich dir entgegendrehn
Und die Lider, wie im Leben, dir entgegenheben, um dich zu sehn.
Und dann sollst du, die ich verfluche
Und deren Blick ich doch immer noch hündisch suche,
Dann sollst du dich in ihren Augen sehn,
Wie sie dich einst gesehn,
Nackt, von ihrer Wollust Polypenarmen gepackt,
Entstellt durch ihre Gier.
Und so sollst du von einem Gräul zum andern
Wandern und wandern
Bis zu mir ...
Und vor meinem Antlitz sollst du stehn,
Und in meinen Augen sollst du sehn,
Wie ich dich einst rein gesehn,
Und dann will ich noch einmal die Lider schließen
Und sollst dich sehn müssen, wie ich dich später in Wahrheit gesehn,
Du Buhlerin du, du deiner Schönheit Kupplerin,
Ewig verfluchte Verführerin!

Dann, mag sein, kann ich dein Erlöser sein
Von deinem entsetzlichen Büßergange:
Wenn über meine verhärmte, vertrocknete Wange
Für dich eine Träne fließen kann,
Dann, dann ...
Vielleicht dann wird mein Mund, der krank ist von deinen Küssen,
Nicht mehr fluchen müssen,
Dann, vielleicht dann, daß deine Seele und meine Seele Ruhe finden kann.


  Hugo Salus . 1866 - 1929






Gedicht: Der ewige Fluch

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