Der große Augenblick

Nun leb' ich meinen größten Augenblick:
Sie legen mir mein langersehntes Kind
Glückwünschend in die Arme, die sich straffen,
Als hielten sie die Kugel dieser Welt.
Denn dieses Bündel unbewußten Daseins,
Das ich zum Herzen halte, es erhöht mich,
Da es mich ewig macht. Nun bin ich nicht
Ein Letzter mehr, nun bin ich ein Beginn
Und hielt mich für ein Ende!
                O, glaubt mir,
Daß mich's durchschauert bis ins Mark des Fühlens:
Denn wie ein Orgelbrausen schwillt ein Wort
Von fernher in mein Ohr: Verantwortung!
Du bist für dieses Kind und seine Zukunft
Und also für ein ganzes Volk, dein Volk,
Verantwortlich! Und wie du bist, so wird es!
Nun sprich: wie bist du? Bist du würdig, sprich,
Ein Ahn zu sein? Der du vor kurzer Frist
Noch in den Tag getändelt als ein Letzter!
Hast du das Überkomm'ne deiner Ahnen
Verwaltet und gepflegt, das Unkraut jätend,
Der guten Keime wartend? Bist du rein? -
Wie weltenschwer drückt mich dies Bündel Zukunft!
Nimm du das Kind, mein Weib!
                Du hast die Liebe,
Die unbedenkliche, die sorgenlose:
Du wirst es pflegen, daß es gut gedeiht.
Doch ich will in mich gehn durchs Tor der Pflicht,
Ich will mein Haus bestellen für die Zukunft...


  Hugo Salus . 1866 - 1929

Expressionisten
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