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Gedichte, Lyrik, Poesie

Ehefrühling
162 Bücher



Hugo Salus
Ehefrühling . 1. Auflage 1900



Italienischer Abend

Der Staub des Werkeltages legt sich grau
Auf deine Träume; was dich einst entzückt,
Verblaßt, vom Spinngeweb der Zeit umgarnt.
Die große Spinne sitzt mit gierigen Augen
Und deckt mit grauen Fäden jeden Glanz.
Bedenk' dies wohl, geliebte, junge Frau,
Und scheuch sie weg! Ich lieb' die weißen Perlen
Im Rosenkranze der Alltäglichkeit
Und heitre Feste in der Arbeitswoche."

Mein Weibchen hört mich an, sie ist geduldig
Und ehrt den Ahnen, der ein Prediger war,
In meinen salbungsreichen Dichterworten.
Tags drauf war sie geschäftig, wie ein Bienchen:
Kaum, daß, sie mir den Morgenkuß gereicht,
Husch, war sie fort, und husch, war sie zu Haus,
Geheimnißvolle Päckchen unterm Mantel;
Ein Zimmer, drein sie mir den Eintritt wehrte,
Ward zum Versteck dafür; die Köchin glühte,
Im Einverständniß mit der milden Herrin,
Und warf mir spöttischschlaue Blicke zu.
Mein Schätzchen war den Tag für mich verloren,
Kaum, daß ich hie und da ein Küßchen fing.
Ich mußte Abends eine Stunde fort:
"Du störst zu Hause; komm zum Essen wieder!"

Ich ging, wie einst, die alte Stadt entlang;
Schneeflocken glitten sanft zur Erde nieder
Und flimmerten im Schein des Straßenlichtes,
Als wenn des Himmels Sternlein niedersänken.
Mir war im Herzen warm und weihnachtshell,
Und jedes Dichterwort von dem Kamin,
Darin die glühend rothen Scheiter knistern,
Vom Brodelkessel, der sein Liedchen summt,
Von den Pantoffelchen der jungen Frau,
Die durch die wohlig warmen Zimmer klappern,
Klang mir durch's Herz, wie helle Silberglöckchen.
Ich fing ein Dutzend Lieder an im Schreiten
-Aus einer winterlichen Freudenstimmung -
Und eilte heim, den Hut verwegen schief,
Wie einer, dem das Glück die Thüren öffnet.
"Zu früh! Marsch in dein Zimmer!"-
                    "Erst ein Küßchen."-
"Huh! kalt und naß! Im Winter küßt sich's schlecht."

Als sich die Zeit vollendet, klopft es sacht
An meiner Thür. "Nun komm, nun tritt herein!"
Die Thüre öffnet sich. "Was ist denn das?"
Ein festlich heller Tisch; und Lampions,
An Schnüren hängend, durch das ganze Zimmer;
Im grünen Kübel dort ein Palmenbaum;
Auf einem Tisch um meine liebe Statue
Des "jungen Faun" die Bilder aus Italien,
Die wir von unsrer Reise heimgebracht.
Und zwischen all der bunten Herrlichkeit
Mein Weibchen mit beglückten Funkelaugen
Im Phantasiekleid einer Campagnolin.
"Was soll das heißen?" lach' ich. "Was das soll?
Ein Abend in Italien; römisches Fest!
Ja, staune nur. Die große, graue Spinne
Zieht sich erschrocken in ihr Netz zurück.
Und, keine Rührung jetzt! Marietta, presto!"

Wahrhaftig, kommt die alte Köchin schmunzelnd,
Mit einer rothen Schärpe um den Kopf,
Und flötet mir, von Lachen fast erstickt,
Ihr "bona sera!" Auf dem Tische dampfen
Die saftigen Maccaroni um den Braten;
In strohumflocht'nen Flaschen glüht mein Liebling,
Chianti vecchio; und bis zum Obst
Und Gorgonzola - Grüße aus Italien.
Es ist kein lautes, aber freudiges Fest,
Und, wenn mein Blick auf meine Liebste fällt,
So tanzt mein Herz fürwahr die Tarantella.
- Erinnerungen tauchen vor uns auf,
Piazza d'erbe und Scaligeri,
Der campo santo Pisa's und der Dom,
Die große Palme über'm Colosseum.
Und nach dem Mahle führt mich die Geliebte
In unser Erkerstübchen an das Fenster.
Da liegt der Park in weißen Schnee gehüllt,
Der Mondschein flimmert drauf, ein Wintermärchen.
Sie aber zaubert mir den Winter weg;
Die Augen schließt sie mir mit weichen Händchen
Und spricht: "Wenn du die Lider hebst, so staune!
Das Meer im Mondesscheine glitzert hell,
Hier ist Sorrent, die ganze Luft ist voll
Von weißen Strahlen; aus den Wassern, schaukelnd,
Gedenkst du's noch, hebt sich die Nixenschaar
Und fängt mit Silberspiegeln, leise singend,
Die Strahlen auf. Schau, wie die Wellen glitzern!"
Ich blicke auf, das weite Meer erglänzt,
Wir Zwei steh'n auf der Insel der Glückseligen
Und trinken Glück und Schönheit mit den Blicken -
Und niemals, niemals wagt sich auf die Insel
Die graue Spinne der Alltäglichkeit!


  Hugo Salus . 1866 - 1929






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