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Hugo Salus
Ehefrühling
. 1. Auflage 1900
Der Rosenkranz des heiligen Antonius
Capriccio
grazioso
In Padua vor der Kirche Sankt Antons
Verfolgte uns ein welsches Kerzelweib
Mit Rosenkränzen, hier im Dom geweiht:
"Sie haben Wunderkraft, wie unser Heiliger."
"So will ich einen kaufen," sprach ich ernst,
"Antonius, viel versucht in diesem Leben
Und arg bedrängt von Lockungen des Weibs,
Er ist der Heilige junger Ehemänner,
Antonius von Padua, steh' mir bei!"
Mein junges Weibchen, eine Pfirsichblüte,
So morgenduftig in dem Seidenleibchen,
Sah mich mit großen Kinderaugen an;
Ich aber, ein verlogener Abbate,
Erzähl' ihr die Geschichte dieses Heiligen
Etwa im Stil des seligen Freunds Boccaccio;
Er ward in meinem ketzerischen Munde
Zum keuschen Tugendhelden des Ballets,
Der vor den Fleischtricots erschrocken flieht.
Mit frommem Augenaufschlag küßte ich
Den Rosenkranz und feilschte um den Preis.
Die Pfirsichblüte ward zur roten Rose,
Schamüberglüht und doch im Innern jubelnd,
Daß sie schon solche Dinge hören dürfe.
Ich kniete drauf im Dome vor dem Grabmal
Des Heiligen im brünstigen Gebet:
"O, heiliger Antonius, schütze mich!"
Wir fuhren noch denselben Abend weiter.
Und in Venedig und Florenz und Rom
Verblaßte uns das Bild des Heiligen;
Es sank ins Meer am schönen Strand Neapels,
An dem einst Venus aus den Fluten stieg.
Der Rosenkranz des heiligen Antonius
Lag auf dem Grunde unsres Reisekoffers,
Der Liebe Rosenkranz umglühte uns. -
Nun streckt der Baum des welschen Honigmonds
Ueber die Alpen seine Blütenäste;
Uns scheint des Estrichs dunkles Holzgetäfel
In unserm warmen Nest im kühlen Deutschland
Vom Widerschein des welschen Himmels blau;
Zwei Tauben, zärtlich gurrend, folgten uns
Vom Markusplatze, wo wir sie gefüttert,
Und sitzen schnäbelnd über unsern Betten.
Wie viele Flitterwochen hat das Jahr?
O Rosenkranz des heiligen Antonius,
Der ein Symbol uns ward, wo fand ich dich!
Heut Abend kam ich heim: "Wo ist die Liebste?"
Ich suchte, lockend, sie durch alle Zimmer,
Sah unter jedes Bett, in jeden Winkel,
Stets auf der Lauer, daß zwei weiche Hände
Mir plötzlich beide Augen neckend schließen.
Ich fand sie nicht; das Mädchen zuckt die Achseln,
Zwei spitze Achseln einer Jubelgreisin.
Da, wie ich wieder gehn will sie zu suchen,
Tönt festlicher Gesang - vom Badezimmer;
Ein närrischer Mönch im Bademantel schreitet,
Das Haupt mit der Kapuze ganz verhüllt,
Die große Kerze flackernd in der Hand,
Und ernste Psalmen singend, mir entgegen.
Der fromme Mönch - mein rosenrotes Weibchen.
Sie geht an mir vorbei, sie wehrt mich ab,
Ich fasse sie: was gürtet ihr die Hüften?
Was schließt den Mantel dieser Potiphar?
Der Rosenkranz des heiligen Antonius!
O heiliger Antonius, steh mir bei!
Hugo
Salus . 1866 - 1929
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