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Anna Ritter
Gedichte
. 1. Auflage 1898
Vergebliches Warten
Hast den Weg doch sonst gefunden,
War das Dunkel noch so dicht,
Ruhlos schweifen meine Blicke:
Warum, warum kommst du nicht?
Glühend nickt die Ros' am Zaune,
In den Ulmen raunt es sacht,
Und verirrte Mondenstrahlen
Wandern suchend durch die Nacht.
Komm und laß uns Küsse tauschen,
Keiner sieht uns, Keiner hört,
Nur des Käuzchens scheue Seele
Hat die Sehnsucht aufgestört.
Mit gespreizten Flügeln schwebt es
Lautlos durch den schwülen Wald,
In den Garten lausch' ich nieder,
Ob im Kies dein' Schritt erschallt,
Durch die tiefen Schatten wink' ich
Mit der blaß geword'nen Hand,
Müde, duftbetäubte Blüthen
Streu ich über mein Gewand,
Meine beiden Arme breit ich
Nach dir aus in stummer Qual.
Doch kein Engel der Erlösung
Schreitet tröstend durch das Thal.
Anna
Ritter . 1865 - 1921
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