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Anna Ritter
Gedichte
. 1. Auflage 1898
Sommerzeit
Im Walde war's! Das rothe Sonnengold
Troff glitzernd von den Kieferstämmen nieder,
Ein Eichhorn sprang in keckem Wagemuth,
Aus klugen Aeuglein blinzelnd, hin und wieder.
Vom Boden stieg ein herbes Duften auf,
Ein Falter flatterte vorbei wie trunken,
In regungsloser, tiefer Schweigsamkeit
Umstand der Tannengrund uns, traumversunken.
Und alles Fühlen, aller Lebensdrang
Auf uns gehäuft, vereinsamt in uns Beiden,
Und wir mit all' der Sehnsucht in der Brust,
So ganz allein in den durchsonnten Weiten.
Konnt's anders sein, als daß mein Haupt sich bog'
Um deinem Kuß die Lippen hin zu geben,
Daß ich ihn zitternd dir vom Munde trank,
Den Zaubertrank von Liebe, Lenz und Leben.
Anna
Ritter . 1865 - 1921
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