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Anna Ritter
Gedichte
. 1. Auflage 1898
Frühling
Sah ich ihn doch
Am Wegrain sitzen
Mit Blumen im Haar
Und lachenden Augen,
Wie er mir winkte!
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Da lief ich ihm nach.
Die Wiese entlang,
Durch Haselgebüsch
Und wuchernde Ranken,
Die kreuz und die quer,
Bis tief in den Wald.
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Nun kann ich nicht mehr!
In kleinen, wilden,
Sinnlosen Schlägen,
Schlägt mir das Blut
Bis zum Halse herauf.
Verwirrt sind die Zöpfe,
Verschoben das Mieder,
Und mitten ins neue,
Tuchene Röckchen
Riß mir der tückische
Dornzweig ein Loch.
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Frühling!... Verräther!...
Hätt' ich dich jetzt,
Du solltest mir büßen!
Wie wollt' ich dich zausen
An goldenen Löckchen,
Wie wollt ich dich rütteln
Und schütteln und - küssen!
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Müde bin ich
Vom tollen Lauf.
Ich werf mich hinein
In nickende Gräser,
In träumende Moose -
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Da - über mir,
Hinter mir
Hör' ich sein Lachen,
Hör' seine helle,
Neckende Stimme:
"Kuckuck!... Kuckuck!"
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Jäh fahr ich empor
Aus wachendem Schlummer.
Da wirft mir der Schelm,
Der sonnige Wildfang,
Vom alten, knorrigen
Birnbaum herunter
Die blühende Last
Eben erschlossener,
Schneeiger Blüthen
Herab in den Schooß.
Anna
Ritter . 1865 - 1921
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