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Gedichte
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Anna Ritter
Gedichte . 1. Auflage 1898


Alte Träume

Nun ziehst auch du im Heerdenschritt
Die lange, breite Straße mit,
Die Straße, die die Andern gehn.
Nur manchmal, wenn zur Seite dir
Ein Abgrund gähnt, ein Gipfel lockt,
Dann seh ich, wie dein schmaler Fuß
Im Marsche jäh am Boden stockt.
Verwirrt, erglühend bleibst du stehn,
Denn alte Träume weckt der Ort...
Da reißen dich die Andern fort -
Und seufzend läßt du es geschehn.

Weißt du die blauen Tage noch?
Wir Beide sahn die Erde kaum,
Auf bunten Flügeln wiegte sich
Im Gras der erste Frühlingstraum.
Verlangend recktest du die Hand
Und bücktest dich - husch - war er fort!
Da weintest du - weißt du den Ort?

Weißt du das Borkenhäuschen noch?
Gar heimlich stand's im Buchengrund
Du winktest mir und legtest still
Den weißen Finger auf den Mund
Und zogst mich nach durch Busch und Laub:
"Die Heinzelmännchen wohnen dort."
Du glaubtest's fest! - Weißt du den Ort?

Ein Taubengirren flog durch's Holz,
Dein Händchen lag in meiner Hand,
Bis in der grünen Dämmerung
Mein heißer Mund den deinen fand.
Das leise Rauschen über uns,
Der goldne Glanz, dein scheues Wort:
"Ich hab dich lieb" - weißt du den Ort?

Ich seh es deinen Augen an,
Du suchst das alte, todte Glück.
Du meinst, du sähst im Buchengrund
Wie einst den grünen Schleier wehn,
Und deine müde Sehnsucht will
Den staubig langen Weg zurück.
Verwirrt, erglühend bleibst du stehn,
Denn alte Träume weckt der Ort ...
Da reißen dich die Andern fort -
Und seufzend läßt du es geschehn.


  Anna Ritter . 1865 - 1921






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