Gedichte.eu Impressum    

Gedichte, Lyrik, Poesie

Befreiung
162 Bücher



Anna Ritter
Befreiung . 1. Auflage 1900


Sieg der Lust

Sie schleichen umher mit tückischen Mienen,
Sie raffen mit dürren, blutlosen Armen
Zweige und moderndes Laub.
Auf nebligem Feld, auf starrenden Stoppeln
Richten sie kichernd den ragenden Holzstoß,
Die neidischen Tage. -

Sie aber hat des wilden Werks nicht Acht ...
Sie steht verträumt, in ihren Augen lacht
Der Juli noch, ins blonde Haar geschmiegt
Ein voller Kranz von Centifolien liegt,
Und ihre Hand, von Fesseln eingehegt,
Mit läss'gem Griff ein blühend Scepter trägt.
So athmet sie, vom Tode schon umstellt,
In einer schönen, sonnentrunknen Welt.
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
        Die Flamme schwält,
        Die Flamme loht,
        Es zuckt und leuchtet
        Blutig roth,
        In alle Ritzen
        Kriechts hinein,
        Am Stamme leckts
        Mit gelbem Schein,
        Die Zweige küßts
        Mit heißem Hauch,
        Zum Himmel steigts
        Mit blauem Rauch ...
        Die Funken sprühn -
        Ein Gluthstrom quillt
        Aus dem Geäst,
        Die Lohe schwillt ...
        Mit dumpfem Krachen
        Stürzt ein Holz -
        Was stehst du noch
        So frei und stolz ...?

Wehe dir, Sommerlust, lachendes Weib!
Greift dir die Angst an den blühenden Leib,
Spürst du der Flamme verzehrenden Hauch?
Balde, ach, balde, packt sie dich auch.
        Sie rüttelt voll Hohn
        Die klirrenden Ketten,
        Sie springt hinein
        In den lodernden Schein,
        Knisternde Flammen
        Schlagen zusammen
        Über dem strahlenden Haupt!
        Verloren ....
        O ihr Thoren,
        Die ihr's glaubt!
        Hört ihr den Sturm?
        Das war ihr Genoß!
        Nun kommt er herbei
        Auf dampfendem Roß,
        Nun sprengt er heran
        Mit Wiehern und Schnauben,
        Den Flammen die todte
        Geliebte zu rauben.
        Er bläst den Rauch
        Von den glühenden Bränden,
        Er sammelt die Asche
        Mit gierigen Händen.
        Dann schwingt er sich auf
        Mit wildem Gelächter
        Und streut die Atome der Lust
        Weit über die schlafende Welt,
        Daß hierhin und dorthin
        Ein Stäubchen fällt,
        Ein Keim, der sich dehnt und streckt,
        Die Ärmchen zur Sonne reckt,
        Und übers Jahr, wenn es mait,
        Die andern weckt
        Und jubelnd schreit:
        "'s ist Frühlingszeit!"


  Anna Ritter . 1865 - 1921






Gedicht: Sieg der Lust

Expressionisten
Dichter abc


Ritter
Gedichte
Befreiung

Intern
Fehler melden!

Internet
Literatur und Kultur
Autorenseiten
Internet





Partnerlinks: Internet


Gedichte.eu - copyright © 2008 - 2009, camo & pfeiffer

Sieg der Lust, Anna Ritter