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Gedichte, Lyrik, Poesie

Media in vita
162 Bücher



Rudolf Presber
Media in vita . 1. Auflage 1902



Svedenborg

Ein ungelöschtes Feuer brennt und webt
Und frißt und sengt und zehrt in meinem Innern -
Und was ich büße, ist nur ein Erinnern;
Und was mich quält, ich hab' es nie erlebt!
In fernem Frühling war's, im blühenden Mai,
Da traf mein Blick dich, heiß und voll Verlangen;
Du flehtest: "Geh!" und - ach - ich bin gegangen,
Von heißem Tau die Wimpern schwer behangen,
Und du warst frei.

Du aber warst's, die meinem Blut gefehlt;
Du warst gesandt, die Flamme rein zu schüren.
Ein Leichnam, unverweslich, doch entseelt,
Ließ ich mich reglos von den Fluten führen.
Wir trotzten kindisch einem Weltgebot.
War's Scham, war's Angst vor allzukühnem Wagen,
In deine Arme meinen Trotz zu schlagen?
Du hast's gebüßt, wie fromme Narren sagen,
Denn du bist tot.

Doch lebt dein Bild - es lebt und nimmer ruht's;
Ich seh' das blaue Aug', die braunen Haare;
So sprachst du: "Geh!", so lagst du auf der Bahre- -
Ich ward gepeitscht durch meine Mannesjahre
Von der verfluchten Geißel meines Bluts.
Verbuhlte Weiber ließen mich genießen;
Und Knospen sah ich duftig sich erschließen;
Ich trank den Kelch der Lüste mit Begier
Und warf ihn fort und trat das Weib mit Füßen
Und schrie nach dir.

Du aber kamst nur in den liebeleeren
Und schwülen Nächten, meine Pein zu mehren.
Ich sah den Blick, der mir Verderben brachte,
Das milde Lächeln, das mich rasend machte.
Durch meines Lebens Flur, die dürr verödet
Um mich gebreitet, schrittst du lächelnd hin -
Wie Feuerregen fuhr's mir durch den Sinn:
Wärst du nicht tot, ich hätte dich getötet!
Ich hätt' um dieses Leben dich betrogen,
Den Lenz zerstört, ehe er verwelken muß,
Und aus der Wunde dir das Blut gesogen
In einem langen, letzten Kuß...

So trag' ich heimlich unermeßlich Wehe
Und schwere Schuld aus einer andern Welt;
Du gingst voraus und hast sie mir erhellt -
Ich seh' das Licht, das durch die Pforte fällt -
Der Pöbel wispert: daß ich Geister sehe.
Durch jene Tür, die du geöffnet hast
Mit deinen kleinen, weißen, kalten Händen,
Kommt mir in Weisheit einen Trost zu spenden
So mancher Tote als willkommner Gast.
Sie schlagen über Raum und Zeit die Brücke,
Sie lassen mich durch dichte Nebel schaun -
Mein Aug' ruht kalt auf nahendem Sonnenglücke,
Und nahes Unheil seh' ich ohne Graun.
Und wenn nach bangen Jahren, Monden, Wochen
Sich laut erfüllt, was leis' mein Traum gesprochen,
Dann staunt und gafft das blöde Narrentum;
Gelehrte jubeln, die ich eh' verdrossen -
Wie gern verschenkt' ich tausendmal den Ruhm
Des Seherblicks, den mir der Schmerz erschlossen!

Gebückt, geknickt, gefurcht schon ist mein Leib;
Es lebt mein Geist mit abgeschiednen Geistern;
Doch nimmer kann ich meine Sinne meistern
Und meine Wünsche nach dem toten Weib.
Wie scheue Vögel das zerstörte Nest
Kreischend umflattern, also irrend schwanken,
Von weißem Haar umhegt noch, die Gedanken
Um jenen Sarg - den Rosen längst umranken
Am stillen Ort zum stillen Frühlingsfest...

Das Alter selbst betrog mich um die Ruh',
Und schweigend büß' ich frühe Tugendfehle.
Und im Martyrium meiner Doppelseele
Schlepp' ich mein feurig Kreuz den Höhen zu...
Und keiner will das Feuerkreuz erkennen,
Und keiner fühlt der Wunden blutig Brennen -
Den kühlen Trunk, den Schluck, den ich ersehne,
Reicht keine hohle Hand mir gütig hin.
Und fühllos geht Maria Magdalene
An mir vorbei, die große Sünderin...

Umtobt, doch einsam, und im Hohn verehrt,
Im Glück verlästert und in Not umwimmert,
Beim Meister Tischler, der die Särge zimmert,
Bin ich am liebsten rastend eingekehrt.
Ich seh' vom Hobel flockige Späne fliegen,
Hör' Schrauben kreischen und den Hammer dröhnen -
O, wonnige Musik von lieben Tönen!
Wann wird man mich mit diesem Schlaflied wiegen?
Wann hobelst du an meinem Sarge, Meister,
Und wirst in schwiel'ger Hand die Mütze zieh'n,
Fühlst du im eis'gen Hauch die bösen Geister
Aus schwarzen Brettern dir vorüber fliehn?...

Halt Meister ein und wehre deinen Knaben
Das laute Lärmen! Sieh mich prüfend an;
Du hast so viel gebettet und begraben,
Schau mir ins Aug', ich bin ein müder Mann.
Sie raunen wohl, daß ich auf dieser Erde
Als ein Verfluchter ewig leben werde -
Sei du barmherzig unter Rohen! Sprich:
Wann, lieber Meister, hämmerst du für mich?


  Rudolf Presber . 1868 - 1935






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