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Media in vita
162 Bücher



Rudolf Presber
Media in vita . 1. Auflage 1902



Sancta luventus

So hatt' ich in quälenden Sorgen gewacht
Im Lehnstuhl kauernd die halbe Nacht ...

Der Wind wühlt im Garten; ein Hund heult draus -
Mir ist's, als wär' eine Leiche im Haus;

Als wär' ich ruhlos zu hüten bestellt
Eine tote, nimmer erwachende Welt.

Es fingert der Mond durch die Scheiben herein,
Er greift mir ins Auge - da schlaf' ich ein.

Da trug mich der Traum in ein Gartenland,
Hab's nimmer geseh'n, hab's nimmer gekannt.

Und doch den Augen schlummerschwer
Erschien's, als ob's meine Heimat wär'.

Es war ein Garten auf stiller Höh';
Von Ulmen umstanden ein spiegelnder See;

Zwei Schwäne glitten darüber hin,
Wie weiße Segel gen Süden ziehn.

Rings rankten hinauf in die Sternennacht
Hochstämmige Rosen die Blütenpracht.

Ein Käferschwarm seine Lichtchen trug
Zum Hollerbusch, drin die Nachtigall schlug.

Die Sterne im Himmel, im dunkelblau'n,
Wie Augen der Engel, die niederschau'n.

Da knackten Zweige, da sprühte der Tau -
Da trat aus den Büschen die blonde Frau;

Trug Veilchen im Haar, trug seid'nes Gewand,
Und reichte mir lächelnd zum Gruße die Hand;

Und schritt mir zur Seite engelgleich
Durch ihr verschwiegenes Königreich.

Und wo sie schritt auf goldenem Schuh,
Da kehrten die Sträucher die Blüten ihr zu;

Die Schwäne ruderten leis an den Strand
Und bogen die Köpfchen in ihre Hand;

Und hob sie zum Himmel ihr süßes Gesicht,
Dann glänzten die Sterne in hellerem Licht.

Und wunschlos und friedvoll und ohne Begehr
Schritt schweigend ich neben der Schweigenden her;

Vom Sternlicht umflossen, von Blumen umblüht,
Im Herzen ein törichtes Kinderlied ...

Da blaßten die Sterne - Frühnebelflor
Lag über dem Tal. Wir standen am Tor.

Sie rührt's, da sprangen die Flügel auf;
Mißtönend drang mir ein Lärm herauf;

Der Lärm der Welt, die nach friedvoller Nacht
Zum Kämpfen, zum Hassen, zum Hadern erwacht ...

Mich schreckte, mich lockte der dumpfe Ton.
"Ich komme, ich komme, ich bin dein Sohn!"

Frühsonne flimmert auf fernem Firn,
Da bot mir das Weib zum Kusse die Stirn.

Und da ich sie bebenden Mundes geküßt,
Mir war's, als ob ich weinen müßt'

Und schluchzen und flehen in heißer Qual:
O komm, du Stolze, steig' mit mir zu Tal.

Ich schütz' dich vor Menschen, vor Wetter und Wind,
Du Tochter des Frühlings, du Sonnenkind.

Sie aber strich träumend die Locken zurück,
Es zuckt' um den Mund, wie verlorenes Glück.

"Fahr' nieder ins Tal, mein Liebling, fahr'
Und sieh aus der Ferne mein wehendes Haar.

Und irrt dort unten im Sturme dein Fuß,
Im Sturme schlummert mein Scheidegruß.

Der Sturm steigt nieder von jenen Höhn,
Wo still meine blühenden Rosen stehn.

Und bin ich entschwunden, mein Bild bewahr's,
Den Glanz meines Auges, den Duft meines Haars,

Den Hauch meines Mundes, der Lippen Gruß,
Den leisen Schritt meines goldenen Schuhs,

Den schweigenden Weg die Büsche entlang,
Und das Lied, das leis deine Sehnsucht sang.

Schon krähen die Hähne - dein Traum verschwimmt;
Es ist deine Jugend, die Abschied nimmt! ..."


  Rudolf Presber . 1868 - 1935






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