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Gedichte, Lyrik, Poesie

Media in vita
162 Bücher



Rudolf Presber
Media in vita . 1. Auflage 1902



Im Himmel

Sankt Peter ist über die Wolken geschritten
Mit einem neuen Himmelsgast;
Dem war die Bürde der Erdenlast
Kaum von den gebeugten Schultern geglitten.
Dem drückte sein ärmlich Hoffen und Wissen
Das wunde Herz noch, das kaum befreit;
Und ängstlich zwischen den Wolkenrissen
Späht er hinab in die Zeitlichkeit ...

Sankt Peter erkannte wohl, was dem Dulder
Leis' durch die zitternde Seele ging;
Und freundlich legt' er ihm auf die Schulter
Die gütige Hand mit dem Fischerring:
Bald sollst du das alles besser erkennen,
Was durch den Flor der Wolken scheint.
Noch seh' ich's in deinen Augen brennen
Von letzten Tränen, die du geweint.
Noch kann dein Auge das Licht nicht vertragen;
Noch bist du dem Klange der Sphären taub;

Noch hängt an den Wimpern aus stürmischen Tagen
Manch graues Körnchen Erdenstaub.
Noch zuckt's um den Mund dir, wie Sehnsuchtsflammen,
Wie tapfer du auch die Lippen preßt,
Noch trägst du am Haupte die blutigen Schrammen
Der welkenden Kränze vom Lebensfest.
Doch sieh, ich recke befehlend die Rechte,
Da wogt es und wallt es im himmlischen Raum,
Und alle die goldenen Wolkengeflechte
Zergehen, zerfließen und gleiten wie Schaum.

"O halt' mich, Sankt Peter! Der Nebel entgleitet ...
Mich faßt ein Schwindel ... Ich seh' mich nicht satt.
Tief unter den Füßen die Lande gebreitet,
Ein köstlich Gewebe: Wald, Wiese und Stadt.
Und dort auf der Straße, wie wehende Fahnen,
Dazwischen goldstrotzender Panzer Pracht -
Dort reiten Helden auf Siegerbahnen ..."
Sankt Peter spricht leise: Ihr Grab ist gemacht!

"Und dort, o sieh, wie festlich Gepränge!
Ein jubelndes Volk um das marmorne Haus...
Mich dünkt, ich höre Krönungsgesänge - "
Und er: Sie tragen ihn bald hinaus!

"Wie seltsam, Sankt Peter, fern fröhlichen Massen,
Wo nirgends flatternde Wimpel wehn,
Über ärmlichen Häusern in winkligen Gassen
Seh' ich's wie kleine Flämmchen stehn ..."

Da spricht Sankt Peter: Die dort verbluten
Als Unbekränzte beim Lebensfest,
Das sind die Stillen, die Hohen, die Guten,
Die ihre Sehnsucht nicht schlafen läßt.
Und jene Flämmchen - aus Mühen und Sünden,
Aus Grübeln und Hoffen brechen sie aus.
Sie werden wachsen, die Welt entzünden,
Und springen leuchtend von Haus zu Haus.
Und die goldenen Himmel öffnen sich allen,
Wer nur ein Fünkchen uns wiederbringt:
Himmlisches Feuer, zur Erde gefallen,
Das sich durch Schlacken zur Heimat ringt!


  Rudolf Presber . 1868 - 1935






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