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Gedichte, Lyrik, Poesie

Media in vita
162 Bücher



Rudolf Presber
Media in vita . 1. Auflage 1902



Georg Ebers

Ich war ein Kind, da hab' ich dich gehaßt,
Gehaßt mit jener Wut, wie Kinder hassen,
Die einen Namen ohne Sinn erfassen,
Und am Phantom den Mut sich kühlen lassen.
Ich hab' gegrollt - geweint, ich glaube fast.
"Georg Ebers" - ach, der Kleine war nicht klug,
Was warst du ihm? - ein Name auf 'nem Buch -
Ein Wort - ein Schall - ein Bild von einem Mann,
Der dicke, dumme Bücher schreiben kann,
Für A-B-C-Befliss'ne zu gelehrt,
Doch von Erwachs'nen viel genannt, verehrt.

Genannt - verehrt ... Ja, ja, das eben war's!
Wie denk' ich lächelnd manch vergang'nen Jahrs,
Da an der "Guten Stube" breiter Wand,
Von Gold- und Silberflitter übersponnen,
Das Heiligtum geträumter Kinderwonnen,
Die liebe, frische Weihnachtstanne stand.
Darunter Säbel, Flinte, Federball,
Ein Krämerlädchen und ein Pferdestall,
Dazwischen Pfefferkuchen wohlgezählte,
In denen allzurasch der Schmuck der Mandeln fehlte.
Und staunend ich vor all den Herrlichkeiten,
So hoffnungsfreudig, glühend, unverbraucht ...
Wenn nur den Glanz und Duft von jenen Zeiten
Erinn'rung gütig in die Seele haucht,
Steigt mir in bunter Bilder raschem Lauf,
Entschlaf'ner Dichter, auch dein Name auf ...

"Johanna, komm, du hast mir's schon seit Wochen
- Weißt du's nicht mehr? - wohl zwanzigmal versprochen,
Du wollt'st an meinem Lädchen was erhandeln.
Guck: Kaffee, Tee und Nudeln sind noch da;
Die Zigaretten kaufte der Papa
- Er weiß warum! - und ich, ich aß die Mandeln.
Ganz billig sind die kleinen Zuckerhüte,
Auch Sämereien gibt's fürs Gartenbeet,
Und brauchst du was, bekommst du noch 'ne Tüte,
Auf der - sieh nur - gedruckt die Firma steht ..."

"Ja, später, Lieber!" und sie hört mich nicht.
Sie hat vom Gabentisch ein Buch genommen
Und liest und liest mit glühendem Gesicht.
Ich aber weiß - sie wird so bald nicht kommen.
Ich zieh' die Pferdchen wütend aus dem Stall
Und spann' sie vor dem blauen Leiterwagen,
Und "hott und hü" - in schrillem Peitschenknall
Such' allen Groll ich weit hinwegzuschlagen.
Die Schwester sieht vom Buch auf und muß lachen.
"Mußt du denn immer so Spektakel machen?
Du kleiner Kobold, zähm' dein tolles Wesen,
Spiel nicht so laut; ich will ,Uarda' lesen!" -

"Uarda", brumm' ich, "was ein dummer Name!
So heißt kein Herr, so nennt sich keine Dame.
Ich würd's nicht lesen" - und ich knalle dreist -
"Allein schon deshalb, weil's ,Uarda' heißt."

Sie lacht ob meiner Logik. In den Schoß
Legt sie das Buch: "Mein Lieber, bist du groß,
Dann liest du's auch und wirst es auch verstehen;
Du siehst am Nil dann hohe Palmen wehen,
Uralte Städte, die der Wüstensand
Ins heiße Grab warf, hohe Tempelzinnen,
Sie baut nach tausend Jahren deinen Sinnen
Noch einmal mächtig auf des Dichters Hand.
Und was du kaum geahnt und nie verstanden,
Kommt aus dem Buch belehrend auf dich zu:
,Ein Dichtergruß vom Pharaonenlande,
In dem ein Kind die Menschheit war, wie du!'"
Besänftigt schon ein wenig von den lieben
Und güt'gen Worten tret' ich weg vom Pferd:
"Und sag', Johanna, wer hat das geschrieben,
Das Buch, das dir das Christkind hat beschert?" -
"Hier auf dem Blatt steht's - buchstabier dir's her" -
"Georg E-bers. Ebers? Ach, schon wieder der!"
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Manch Jahr ging hin, erfüllt mit Freud' und Fehl;
Ich wuchs und lernt' in Lebenskampf und Frieden.
Da war's im Lenz. Es trug mich ein Kamel
Durch gelben Sand zum Fuß der Pyramiden.
Das weiße Häusermeer von Kairo links,
Und rechts die Wüste bis zum Horizonte -
Und über flücht'gen Hügeln dort die Sphinx,
Die lächelnd ihre Riesenglieder sonnte.
Davor zu Roß ein Beduinenscheich,
Umdrängt von seiner räuberischen Bande,
Und über die gewalt'gen Bilder spannte
Der Morgenhimmel silberbleich
Den ungemessenen Riesenschleier,
In dem der Flug der beutegier'gen Geier
Mit dunklem Fittich seine Kreise schrieb ...
Mein Tier war faul. Der schwarze Führer trieb
Zur Eile an; und auf des breiten Rückens
Bequemem Sattel hub ein Schaukeln an.
Im Wechselspiel des Hebens und Sich-Rückens
Träumt sich's so seltsam, wie man träumen kann
Nur in Venedig, wenn der Mond zerrissen
Den Wolkenvorhang, in den Gondelkissen;
Wenn von des Gondoliere Faust geleitet
Sich wie ein Pfeil die schwarze Barke schwingt,
Und lautlos hin zur "Serenata" gleitet,
Die leis' schon her vom Kanal Grande klingt - -
Und so wie's dort aus marmornen Palästen,
Aus mondbeglänzten Wassern wallt und webt,
Wie groß Erinnern sich zu nächt'gen Festen
Der Zeit des Dogen Dandolo erhebt -
So träumt' ich wohl, vom starken Wüstentier
Zur Cheopspyramide hingetragen,
Den Wundertraum aus Pharaonentagen,
Schaut' große Zeit und war allein mit ihr.
Ich sah gepeitschte Juden Steine schleppen
Zum Riesenwerke himmelhoher Treppen
Des Grabs - dem keines auf der Erde gleiche,
So will's der König - für die Königsleiche.
Ich sah den Priesterzug zum Tempel wallen,
Wo Isis weissagt und die Opfer fallen.
Und an den Wänden rings und in den Tiefen
Verborg'ner Nischen reden Hieroglyphen,
In lichten Farben wundervoll erneut,
Von Rhamses' Macht und Thebens Herrlichkeit.
Dort aber schreitet stolz mit dem Gesinde
Das Königstöchterlein zu Bad und Spiel,
Daß sie im Schilf das Knäbchen Mose finde
Und den Vernichter rette aus dem Nil ...

Und als ich aus dem Traume aufgewacht,
Nahm ich ein Glas vom mitgeführten Weine
Und hab's dem Dichter dankend dargebracht,
Der eine Seele goß in diese Steine;
Der dieser Gräber wucht'ge Türen brach,
Die heil'gen Bücher lehrte neu zu lesen,
Und zur verschnürten Königsmumie sprach:
"Steh auf und wandle, wie du einst gewesen!"
Der gern des Haders seiner Zeit vergaß,
Durch größre Zeiten mocht' zum Führer taugen,
Der an des Menschengeistes Wiege saß
Mit des Poeten schönheitsfreud'gen Augen.

Was einst in seinem kind'schen Groll und Krieg
Ein Bub ersann, den Dichter zu befehden -
Als er auf Cheops' Pyramide stieg,
Hat es der Mann ihm reuig abgebeten.


  Rudolf Presber . 1868 - 1935






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