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Rudolf Presber
Media
in vita . 1. Auflage 1902
Die Drei
Und wieder ein Tag. Im fahlen Licht
Der sterbenden Sonne kauert der Graf;
Ihn quält der Schmerz, ihn reißt die Gicht
Im Bein, das vor Jahren die Kugel traf.
Sein blondes Weib legt das Buch in den Schoß -
Was gilt ihr erdichtete Liebespein?...
Sie nestelt die welligen Haare los
Und lächelt müd' in den Abend hinein.
Eine Schwalbe surrt ... der Regenwind
Hat draußen leis' die Syringen bewegt.
Zu ihren Füßen das blasse Kind
Hat scheu sein Spielzeug hingelegt.
Sie schauen und schweigen, Kind, Weib und Greis -
Kein Windstoß mehr, kein Schwalbenflug...
Es ist, als schöpfe heimlich leis'
Die Nacht den ersten Atemzug.
Und es schauert der Alte: "Wie still in der Rund'!
Auf meinem Grabe küssen sich zwei;
Sie küssen sich heiß den jungen Mund
Und schwören sich ewige Liebe dabei..."
Und das Weib faßt heimlich ein seidenes Band,
Das unter Tränen und Küssen erblich:
"Jetzt reitet mein Liebster hinaus in das Land,
Mein Bild auf dem Herzen und denkt an mich."
Und ängstlich zwischen die beiden geschmiegt
Mit fragenden Augen das blasse Kind:
"Gelt, Vater ... gelt, Mutter - ein Engel fliegt
Durchs Schloß, wenn wir so stille sind?"
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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